Wie beginne ich ein neues Jahrhundert? Warum wollte sie nicht so recht aufkommen, die Vorfreude? Vielleicht mangels Erfahrung, vielleicht auch deshalb, weil die Computerhysterie alles Vernünftige und Normale in den Schatten gestellt hat. Wir müssen damit leben, dass ein paar Bits und Bytes unser Denken und Handeln mehr beeinflussen, als wir das wahrhaben wollen. Dabei ist es bezeichnend für den Zustand der heutigen Zivilisation. Millenium hat es zum Wort des Jahres gebracht - und es wird genau so schnell, wie es gekommen ist, aus dem Bewusstsein wieder verschwinden. buehler.jpg (7132 Byte)
Stefan Bühler

Vorsätze

Weil eben alles etwas oberflächlicher und kurzatmiger ist. Dabei läge es doch auf der Hand, dass wir diese einmalige Chance nutzen, um neu durchzustarten. Dazu muss man lediglich all die guten Vorsätze aus den vergangenen Jahren hervorholen. Schon wieder vergessen? Wo doch der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist.
Nach jedem Neujahr mit dem Rauchen aufhören - einer der beliebtesten Vorsätze endet jedes Mal damit, dass man nach zehn Wochen erfolgreich vom Nichtrauchen befreit ist.
Dann schon besser der Vorsatz mit dem Angriff auf die Kalorien. Wie konnte man doch kürzlich in der Zeitung lesen? „Die Frau schaute aus dem Fenster und verlor dabei das Übergewicht.“ Ja, wenn es nur immer so einfach wäre.
Einfach haben es heute nur mehr die Politiker, die auf ihren Manuskripten oben vermerken: „Es gilt das gebrochene Wort.“ So kommt es, dass die Politiker viel voraussagen und dann wie immer kein einziges ihrer Verbrechen einhalten.
Es können ja auch die kleinen Dinge sein, die man sich zum Vorsatz nimmt. Dass man in Zukunft etwas pünktlicher zu spät kommt. Oder: Man verlasse sich nie auf die Wetterprognose. Solange sich die Blumenkohlwolken-Prophetinnen nicht entscheiden können, ob sie Regenschein oder Sonnenguss ankündigen wollen, sind die Voraussagen der anderen Scharlatane wie Urniella und der Elisabeth Teissier geradezu Volltreffer.
A propos Weltuntergang: die Zukunft ist ja auch nicht mehr das, was sie früher war. Die Geschichte wiederholt sich eben nicht. Und wenn sie sich wiederholt, dann nicht so wie früher. Aber man kann ja das Jahrhundert ohne Vorsätze beginnen, ganz einfach so. Und sich dabei die übliche Gesundheit wünschen. Um noch möglichst viel von der Zukunft mitzubekommen. Alt werden ist schliesslich immer noch die einzige Möglichkeit, lange zu leben. In diesem Sinne: auf ein langes Leben.
Stefan Bühler