Bündner Kunstverein wird 100jährig

Der Ruf des Bündner Kunstmuseums reicht weit über unsere Kantons- und Landesgrenze hinaus. Schuld daran ist die Sammlung von Malereien, Skulpturen und Graphiken vom 18. Jh. bis in die Gegenwart, sowie bedeutende Werkgruppen von Angelika Kauffmann, Giovanni Segantini, Giovanni, Augusto und Alberto Giacometti und Ernst Ludwig Kirchner - aufgebaut vom 1900 gegründeten Bündner Kunstverein.

Noch gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts waren Gemäldeausstellungen in Chur äusserst seltene Anlässe. Zum eigentlichen Durchbruch verhalf die Calvenfeier von 1899. Das Fest wurde im «Courrier du Davos» als mächtiger Strahl der aufgehenden Kunst-Sonne beschrieben. Eine Folge dieser Ausstrahlung war die Gründung des «Bündnerischen Kunstvereins». Anlass dazu gab die seit langem geforderte Durchführung der eidgenössischen Turnus-Ausstellung im Jahre 1900. Das angestrebte Ziel, neben Malerei und Bildhauerei auch Musik und Schauspielerei zu fördern, überstieg jedoch die Kräfte der Initianten, und dem Kunstverein verblieb schliesslich «nur» die Förderung des Kunstschaffens durch die Organisation von Ausstellungen und durch die Gründung einer Gemäldesammlung. Mit dem Kauf zweier Gemälde des Bergellers Giovanni Giacometti im Jahre 1902 wurde das Postulat der Förderung einheimischer Künstler erstmals erfüllt. Mit staatlicher Unterstützung konnte die Sammlung weiter ausgebaut werden; die Hauptschwierigkeit bestand jedoch im Mangel an geeigneten Aufbewahrungs- und Ausstellungsmöglichkeiten. Während Jahren hing die noch kleine Sammlung in einem Zimmer des Rätischen Museums oder im Grossratssaal und für grössere Ausstellungen musste die Turnhalle Sand oder das Volkshaus gemietet werden. Mit der Übernahme der Sammlungsbestände versprach 1914 der Kleine Rat auch, für eine möglichst zweckentsprechende Aufbewahrung zu sorgen. 1919 stellte die Rhätische Bahn die am Postplatz stehende Villa Planta dem Kanton mit der Auflage zur Verfügung, das Haus für kulturelle Zwecke zu nutzen. Doch die Hoffnungen des Kunstvereins wurden enttäuscht: nur drei Räume konnten sie benützen, die restlichen blieben der naturhistorischen Sammlung und Ausstellung vorbehalten. Auch durch den Bau des Natur-historischen Museums (1929) direkt neben der Villa Planta änderte sich die Situation nicht wesentlich. Immerhin liessen sich einige Räume den Bedürfnissen einer Kunstsammlung besser anpassen, die Villa konnte nun mit etwas mehr Recht als «Kunsthaus» bezeichnet werden und die Gründung der «Stiftung Bündner Kunstsammlung» unterstrich zudem diesen Eindruck.

Trotz den schwierigen Bedingungen gelang es, nicht nur den Sammlungsbestand zu erweitern, sondern mit interessanten Wechselausstellungen das Publikum ins Kunsthaus zu locken. Das Interesse des Publikums wie auch des Kunstvereins konzentrierte sich nach wie vor auf das Schaffen der einheimischen Künstler. Von den in Chur tätigen Paul Matig, Leonhard Meisser, Anny Vonzun und Otto Braschler schwang sich der Bogen über Augusto und Giovanni Giacometti, Turo Pedretti und Alois Carigiet bis zu Ernst Ludwig Kirchner und Alberto Giacometti.

Beharrlich wies der Kunstverein auf die Notwendigkeit hin, das Kunsthaus ganz für Ausstellungen zur Verfügung zu stellen. 1956 erwarb der Kanton schliesslich die Villa Planta, und im Jahre 1964 konnte durch den Auszug der «Knochen, Gefieder und Steine» ins benachbarte Naturhistorische Museum das ganze Haus der Kunst zur Verfügung gestellt werden. Die endgültige Rettung der in schlechtem baulichem Zustand befindlichen Villa wurde erst durch den Entscheid des Grossen Rates 1984 für Neubau und Renovation vollzogen. Damit hatte sich die bildende Kunst, zumindest was die äusseren Bedingungen betraf, eine hoffnungsvolle Zukunft gesichert. (Auszug aus: «Churer Stadtgeschichte Band II», 1993 Stadt Chur, Verlag Bündner Monatsblatt).