Wo man den Schweiss
der Musiker riecht

Wo man den Schweiss der Musiker riecht Über zwei Jahre sind es her, seit Mike Muzzarelli aus der «Fiasko-Bar» in Valbella in die Niederungen stieg und im Untergrund von Chur den «Safari Beat Club» ins Leben rief. Nach harzigem Beginn ist sein Laden heute ein Musiktempel, der weitherum seinesgleichen sucht, beim Publikum, bei Bands und selbst bei Club-Betreibern in der übrigen Schweiz ein Begriff ist.

Draussen herrschen frostige Minusgrade. Drinnen, im diffusen Untergrund-Kunstlicht ist es wärmer, noch nicht «heiss», aber das folgt noch. Mike Muzzarelli, von Haus aus Innendekorateur, bahnt sich den Weg zwischen Gitarrenkoffern durch zur Bühne, verbindet Kabel, richtet Mikrophone für Sänger, Sax und Trompete, eilt wieder zurück zum Mischpult: «And now the hole band», bittet er die siebenköpfige Ska-Reggae-Soul-Gruppe aus New York zum letzten Soundcheck auf die Bühne. Es ist 18.30 Uhr, zweieinhalb Stunden später soll es losgehen, mit «The Adjusters» zu ihrem letzten Tourauftritt auf dem «old continent». Zuvor waren sie in namhaften Clubs in Köln, Bremen, Berlin, Paris, Bordeaux, Genova usw. Die Europa-Finissage haben sie sich für den Safari Beat Club aufgespart. Das ist zwar eine Ehre, aber nichts Aussergewöhnliches für Mike, der in Jeans und Unterleibchen die letzten Sound-Einstellungen vornimmt.

Harter Start

Dann gibt’s, wie für alle im Safari gastierenden Bands, vor dem Auftritt vom Chef spendierte Pizza in der «Flamme», und Mike hat endlich Zeit, aus der Safari-Schule zu plaudern. «Nach der Eröffnung 1997 musste ich ein Jahr lang grausam unten durch», erinnert sich Mike. «Das Image des Lokals, das meine Vorgänger hinterlassen haben, war am Boden und auf mich setzten damals nur wenige.» Echt durchbeissen habe er sich müssen, bis sich das Safari langsam in den Köpfen festgesetzt und via Geheimtip zur heutigen Stellung unter den Konzert-Clubs geworden sei. Die Gründe dafür? Muzzarelli: «Gute Bands, Abwechslung in den Stilrichtungen, faire Eintrittspreise, günstige Getränke, Ehrlichkeit.» Dazu komme die Safari-Atmosphäre mit der Verschmelzung von Bühne und Publikumsraum, die Nähe zu den Musikern, aber auch die professionelle Sound-Infrastruktur.

Rock und Pop für alle

Mike ist Geschäftsführer, Mischer, Barkeeper, Organisator, Raumpfleger und Betreuer in einer Person. Dass das Safari erst um 19.00 Uhr öffnet, heisst noch lange nicht, dass der Chef den Tag durch dem dolce far niente frönt. «Gute Bands fliegen einem nicht einfach ins Haus, die muss man aufstöbern», erklärt er. Die Kontaktpflege zu Musikeragenturen und Managern, das Studium von Tourplänen der Bands und natürlich von Fachliteratur nimmt einen happigen Teil seiner Tageszeit in Anspruch. Und hat er eine Band ins Auge gefasst, so öffnen sich die Schranken beim Wort Safari meist automatisch. Denn längst ist auch unter Musikern der Club in Chur ein Begriff. Der New Yorker Rock-Gitarrist Steve Cochran beispielsweise hat sich mit zwei Konzerten im Safari auf das Engagement am Jazzfestival von Montreux 1999 vorbereitet, die weltbeste Jimi Hendrix Cover Band der Welt, «More Experience», hat im Safari die neueste CD eingespielt, der Bruder vom Mike Jagger ist mit seiner in England als top klassierten Band auf der Bühne im Safari gestanden, «Calico Soul», der heissesten Rock Band von Los Angeles, ist das Safari ein Begriff und Larry Burton, die crème de la crème der USA Bluesszene - der schon mit John Lee Hooker, Albert King und Co. auf Tour war - weiss, wo das Safari liegt. Die Liste unterschiedlichster Safari-Bands, eingeschlossen eine ganze Anzahl Einheimischer, ist fast endlos. Sie belegt auch eine weitere Philosophie von Mike Muzzarelli. Denn im Safari kommen alle Rock- und Pop-Liebhaber auf die Rechnung, «von Ska-Fans meist jüngeren Alters bis zu Oldies, die einst in Jeans um die Welt getrampt sind und heute in Krawatte im Safari beim Sound aus den 68ern ihre Zeit wieder aufleben lassen können». Erfreulich sei die sich abzeichnende Entwicklung unter den Musikkonsumenten, die nicht mehr nur eine Stilrichtung bevorzugen, «der Publikumsmix wird immer bunter».

Ein aufgestelltes Team

Die Safari Gäste rekrutieren sich längst nicht mehr «nur» aus Chur. Das Einzugsgebiet reicht weit über die Kantonsgrenze hinaus. «Das Safari ist eben auch ein Stück Lebensgefühl. Ich glaube, die meisten meiner Gäste merken das und es spricht sich herum.» Schuld daran seien alle seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein aufgestelltes Team, das die Besucher so behandle, wie wenn sie in ihrer eigenen Stube wären. Darin liegt wohl auch der Grund, dass im Safari eine sehr friedliche Atmosphäre herrscht und diskrete «Rausschmisse» nur ganz selten vorkommen. So wie Mike seine Gäste im Lokal betreut, widmet er sich auch den Musikern. «Ich empfange sie, begleite sie ins Hotel, zeige ihnen, was sonst noch in Chur läuft, sorge manchmal dafür, dass sie nicht verpennen und den nächsten Termin nicht verpassen, helfe ihnen beim Auf- und Abbau der Bühnenutensilien usw.»

Gute Stimmung, guter Groove

Um 19.30 Uhr zieht sich der Chef zurück und erscheint eine halbe Stunde später «herausgeputzt» im «Safari Beat Club» T-shirt. Gläser bereitstellen, Getränke-Harasse rücken, Bar-Tresen abwischen, Lichttest, Gäste begrüssen, Smaltalks. Das Safari füllt sich. Die meisten der heutigen Gäste sind Tweens, machen es sich in den Sofas gemütlich, belegen die Bars oder postieren sich vor der Bühne. Dann gehts los. «The Adjusters», eine der führenden Ska-Soul-Bands der USA, drängt durch das Publikum auf die Bühne und legt los. Mike sitzt am Mischpult, nimmt letzte Soundkorrekturen vor, wippt mit dem Fuss. Vor ihm wippt es auch, vorerst zaghaft, dann immer heftiger. Arme sind in der Höhe, Hände klatschen im Ska-, Soul- und Reggae-Takt. Auf den Leibchen der fünf Musiker, der Sängerin und des Sängers werden die Schweissflecken immer grösser. Drei Stunden dauert das Konzert inklusive drei herausgeforderte Zugaben. Dann verneigen sich sieben zufriedene New Yorker vor 200 begeisterten Club-Gästen. «Gute Stimmung, guter Groove», schmunzelt Mike, «wie immer im Safari …»

Walter Schmid