Fünf Tage Narrenfreiheit

Schränzen, gässeln, tanzen und narrentreiben: Am 3. März geht sie los, die Churer Fasnacht 2000. Garantiert sind dabei eine vollgepferchte Altstadt, überfüllte Säle, ein 30’000-köpfiger Menschenspalier am Umzug und ein Konfetti-Teppich auf Strassen, Gassen und Plätzen bis Aschermittwoch.

Dass Chur’s Strassenfasnacht zu den qualitativ und quantitativ herausragendsten im Land zählt, hat sich längst herumgesprochen. Denn nicht umsonst zieht es seit Jahrzehnten Guggenmusiken aus Fasnachtshochburgen der ganzen Schweiz nach Chur, wo sie in närrischer Konkurrenz in Gassen und Beizen auf Teufel komm raus in die Instrumente blasen und auf die Trommeln hauen. Und wenn sich mitten in der Nacht zum Beispiel in der Rathaushalle die schränzigen Töne zweier oder dreier Guggenmusiken kreuzen, in Resonanz geraten und tosender Fasnachts-Groove entsteht, verfallen selbst die emotionslosesten ChurerInnen in Trance.

Auftakt mit Ordensverleihung

Während sich die Narrengemeinschaft am Freitagabend nur zaghaft in der Innenstadt verbreitet, herrscht in den längst volldekorierten Beizen bereits Tohuwabohu. Seit Jahren fällt die Fasnachtseröffnung traditionsgemäss der «Schparz-Bagaschi» zu, die den von Zeitgenossinnen und -genossen heissbegehrten Orden in Form eines Stück gehauenen Blechs aushändigt. «Schparz»-Ordensträger 2000 ist der wirbelige und innovative «Beizer» Tom Leibundgut. Weshalb ausgerechnet dieser «Zürischnorri» in den erlauchten Kreis seiner Ordensgeschwister gehoben wird, wird am Freitag ab 19.00 Uhr mit der Laudatio, dem Behängungsakt und der Gegenrede im Hotel Drei Könige allen klipp und klar gemacht. Die Ordensverleihung ist öffentlich, also für alle zugänglich und garantiert Witz, Ironie und Unterhaltung der besonderen Art.

Im Anschluss an die Ordensverleihung (ab 21.00 Uhr) steigt im grossen Saal des Hotel Drei Könige der 7. Guggenmusik-Ball. Mit dabei sind diverse auswärtige und einheimische «schräge» Formationen mit insgesamt rund 250 Musikantinnen und Musikanten.

Höhepunkt Umzug

Konfettiregen wird auch den diesjährigen 54 Wagen und Guggenmusiken umfassenden Fasnachtsumzug begleiten. Erwartet werden am Samstag, 4. März, ab 14.00 Uhr gegen 30’000 Zaungäste, die, so hofft das OK der Fasnachtsvereinigung, allesamt mit einer Plakette an der Brust das Spalier bilden werden. Denn Plaketten tragen ist «obligatorisch», will man (und Frau) das Gesicht zu wahren und mit gutem Gewissen die rund dreistündige Unterhaltung in vollen Zügen geniessen. Kostenpunkt des «Eintritts» inklusive Programmheft: Fr. 8.-. Der Erlös aus dem Verkauf wird nicht einfach vom harten Kern der Fasnachtsvereinigung «verjubelt» - ein Grossteil der Einnahmen fliesst in die Fasnachtskliggen als Stock für den Bau ihrer Wagen für die Narrenzeit im Jahre 2001.

Traditionsgemäss mündet der Umzug auf den Arcas, wo am späten Nachmittag das Monsterkonzert der Guggenmusiken für einen Höllenlärm sorgt. Das ist das Zeichen für den nahtlosen Übergang Strassen- und Beizenfasnacht, die erst vom Zwitschern der Amseln am Sonntagmorgen abgepfiffen wird.

Kinderumzug am Sonntag

Dass die Churer Fasnacht nicht nur ein Anlass für abgehärtete NachtschwärmerInnen ist, dafür sorgt Hotelier Martyn Stockmann vom «Freieck». Bereits zum 12. Mal organisiert er am Sonntag, 5. März die Churer Kinderfasnacht. Umzugsbeginn ist um 14.00 Uhr auf dem Arcas. Nach dem Marsch durch die Altstadt finden sich die jüngsten Fasnächtler in der Rathaushalle zum Kinder-Fasnachtsball ein, wo eine professionelle Moderatorin und Guggenmusiken durch den Anlass führen. Bei der Maskenprämierung werden sämtliche Kinder beschenkt, wobei die drei Ersten je einen Spezialpreis erhalten.

Schnitzelbänke in sechs Beizen

Längst zu einem Highlight der Churer Fasnacht ist der Schnitzelbankabend am Montag geworden. Gegen ein Dutzend spitzzüngige Formationen ziehen von Lokal zu Lokal und nehmen jeden Zeitgenossen mit Ironie und Witz auf’s Korn, der oder die im letzten Jahr in irgendwelcher Art aufgefallen sind. Weil in den vergangenen Jahren der Publikumsaufmarsch in den Lokalen so gross war, als gäbe es etwas gratis, haben die Organisatoren des Schnitzelbankabends die Zahl der offiziellen Vortrags-Beizen auf sechs aufgestockt: Hotel Drei Könige, Restaurant Rheinkrone, Café Merz, Restaurant Controversa, Restaurant Capellerhof und Restaurant Süsswinkel. Wer also nicht stehend die Lachmuskeln strapazieren will, tut gut daran, in einem der Lokale einen Platz zu reservieren.

Aufbäumen am Dienstag

Wer in Chur eine richtige Närrin oder ein richtiger Narr sein will, steigt am Dienstag nochmals in Fasnachts-Vollmontur. Bis in die frühen Morgenstunden des Aschermittwochs stehen den Nimmermüden Gassen, Plätze und Beizen für die ultimativen Drohgebärden gegen den Winter zur Verfügung. Endgültig verabschiedet wird die Churer Fasnacht 2000 mit dem wohl kuriosesten Umzug in unserem Land. Besammlung zum «Schiisdräck-Umzügli» ist im Morgengrauen des Aschermittwochs um 07.30 Uhr beim Restaurant Edelweiss an der Storchengasse. Von dort ziehen die Hardcore-Fasnächtler mit den letzten noch zu mobilisierenden Kräften im Takt der Guggenmusik schwankend durch die Stadt...


Fasnachts-Hochburgen von Chur

Seit 1975 durch die Margrittli-Kligga die «neue» Churer Fasnacht lanciert wurde, ist Bündens Metropole jeweils Herberge einer tosenden Strassenfasnacht - was nicht heissen soll, hinter den Häusermauern laufe nichts. Im Gegenteil: Die Churer Wirtsleute bieten allen Gelegenheit ein Narr zu sein, das Tanzbein zu schwingen, sich auszuruhen, den Becher zu heben und Kraft zu tanken. Bereits Vergangenheit ist der eigentliche Auftakt der diesjährigen Fasnacht, der am 26. Februar mit dem 11. Kostüm-Eröffnungsball im Drei Könige über die Bühne ging. Nach dieser Vorspeise geht’s am 3. März im Drei Könige mit der Schparz-Ordensverleihung und der anschliessenden Guggenmusik-Fasnacht so richtig los. Am gleichen Abend startet auch das Freieck unter dem Motto «Churer Altstadt Museum» die Narrenzeit mit dem traditionellen Maskenball mit Prämierung. Beide Häuser setzten über die ganze Fasnacht ihre Säle und Nebenräume volldekoriert für die Fasnacht ein. Von Samstagabend bis Sonntagmorgen rauscht im Freieck der «Fasnachtsball» und im Drei Könige der «Schwarta-Ball», wo Dienstagnacht am «Häfali-Ball» und im Freieck am «Fasnachtsball II» nochmals tüchtig die Tanzbeine geschwungen werden.

Von Beiz zu Beiz

Den Anreiz, das Interrieur der Lokale fasnächtlich zu dekorieren, vermittelt jeweils die Fasnachtsvereinigung. Jedes Jahr können nämlich drei von einer «Fachjury» ermittelte Sieger eine Fasnachtsplakette im Grossformat entgegennehmen, eine mittlerweile begehrte Trophäe unter den Gastwirten. Zu jenen Beizen, die immer wieder mit originellen Dekorationen ihr eigentliches Aussehen völlig auf den Kopf stellen gehören neben den Verwandlungskünstlern Freieck und Drei Könige auch Lokale mit weniger Quadratmetern. Beispiel «Edelweiss» an der Storchengasse, wo Wochen vor der Fasnacht jeweils Nächtens «umgebaut» wird oder die «Chesa» an der Grabenstrasse, in der trotz Volldekoration und Livemusik auch während der Fasnachtszeit über 50 verschiedene Pizza’s auf der Karte zur Auswahl stehen. Die Untere Gasse ist eigentlich ein durchgehend maskierter Strassenzug. Auf der Obertorer Seite am Ochsenplatz bildet das volldekorierte «Hemingway» so etwas wie einen Stützpunkt für die Strassenfasnächtler. Hier trifft man sich, wenn man sich verloren hat und bleibt dann meistens. Nur zehn Schritte daneben besticht wie immer die «Schmiedstube» mit einem originellen Interieur. Heuer ist die traditionelle Altstadtbeiz das «Eidgenössische Narrenhaus», mit Livemusik und Freinacht am Freitag, Samstag, Dienstag und Verlängerung bis 02.00 Uhr am Montag. Am anderen Gassenende die «John Bull Bar», in der nichts mehr vom normalen Lokal zu erkennen ist und wo von Freitag bis Mittwochmorgen die Mixtur aus Närrinnen und Narren ununterbrochen hart am Siedepunkt gehalten wird.

Auffangbecken

Man könnte wohl noch zwei Dutzend Fasnachtshochburgen aufzählen: die sechs Schnitzelbank-Beizen (siehe S. 4/5), die Felsenbar, das «Calanda», die «Amercan Sports Bar», «La Strega», wo nicht nur der Förster vom Silberwald heimisch ist... usw. Eine ganz besondere Atmosphäre herrscht nicht nur wegen der Dekoration jeweils im «Heini», zehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt an der Ringstrasse gelegen. Neben der Freinacht von Samstag auf Sonntag ist die Gastfreundschaft der Heini’s besonders zum Fasnachtsausklang hoch willkommen. Am Dienstag wird zwar erst um 17.00 Uhr geöffnet, dafür dauert es dann im «Heini», dem traditionellen Auffangbecken für Guggen und Masken etwas länger, das heisst bis zum Zwölfuhrschlag am Aschermittwoch...