Von Hüten, Schrauben und Knöpfen

«Kurios» sind sie nur für jene, die noch nie drinnen waren, beim Coray, beim Fiebiger, bei Kleger. Diese drei Läden gehören zu jener Geschäfts-Spezies, die immer rarer wird: traditionell, aussergewöhnlich, einmalig und mit dem gewissen Etwas.

Man muss schon in Dokumenten der zwanziger Jahre stöbern, um auf das Bild des immer einen Hut tragenden Al Capone aus Chicago zu stossen. Outfitmässige Nachahmer von «Scarface» gab es damals auch in Chur, dank dem Hutmacher Fiebiger an der Oberen Gasse, der des Gangsters Modell «nachbaute», massgefertigt aus Filz, mit Dampf aufgeweicht und von Hand geformt, ausgerüstet mit Futter, Schweissband und selbstverständlich imprägniert. So werkt heute der 79-jährige Hutmacher Eugen Fiebiger immer noch.

Er würde selbstverständlich den Scareface-Hut und andere Modelle noch selber fertigen, doch das Rohmaterial sei nur mehr sehr schwer zu erhalten. «Aber kommt ein Herr mit einem Stumpen (Rohform des Hutes aus Filz), so mach ich ihm natürlich das auf ihn passende Oberteil». Weil Hut tragen seit einigen Jahren wieder total in ist, braucht Fiebiger die Werkstattutensilien vorwiegend für «Renovationen». «Ausgetragene, zerdrückte und beschädigte Modelle bringe ich wieder in Form, auch wenn sie meinen Jahrgang haben», meint er schmunzelnd. Neben diesem Service findet der Herr alles, was man bis zu den Stirnrunzeln über den Kopf stülpen kann: Vom Berret zum Zylinder, vom Haarfilzhut wie Lord ihn trägt bis zur Offizierskopfbedeckung, vom der trendigen Baseball-Mütze bis zum «Kantonsschülekäppli»...

Dem Detail verschrieben

Von Sedrun bis ins Samnaun, beim Namen Coray weiss jedermann im Kanton, wer gemeint ist: das Eisenwarengeschäft an der Grabenstrasse in Chur. Wer eisenwarenmässig in Verlegenheit gerät, dem wird mit einer Trefferquote von 9 zu 1 direkt im Geschäft aus der Patsche geholfen. «Bei uns gibt es nichts, was es nicht gibt», lautet die Grundphilosophie bei Coray. Damit bei Mann und Frau auch der optische «Wundertüten»-Eindruck erhalten bleibt, hat man bei der kürzlich vorgenommenen Geschäftserweiterung (Zusammenschluss mit Hemmi, Haushaltartikel,zu «Coray und Hemmi AG») bewusst die Schubladenwand im Geschäft stehen gelassen. In den einzelnen Fächern ruhen Dichtungsringe, Winkeleisen, Türbeschläge, Haken, Ösen, Schlösser, Griffe, Schuhnägel, Schrauben, Muttern etc.. Mit traumwandlerischer Sicherheit wird von den durchwegs langjährigen und erfahrenen Mitarbeitern der gesuchte Artikel aus dem Regal gezogen. Einmalig bei Coray ist, dass nicht nur paketweise, sondern jedes Stück auch einzeln zu haben ist, von einer Schraube für 10 Rappen bis zum Laufgitter-Scharnier. Die Kundschaft ist so kunterbunt wie das Angebot. «In den letzten Jahren», weiss die Tochter des Hauses, Leta Mikesch, zu berichten, «ist die Gilde der Selfmade-Leute stark gestiegen». Diese Kundenschicht stehe oft in Bezug auf Materialien und Werkzeuge am Limit und klammere sich zu recht an Coray wie an einen Rettungsanker. Das setzt vom Verkaufspersonal fundiertes Wissen, Einfühlungsvermögen und viel Phantasie voraus, wobei das Problem nicht selten via eine Bleistift-Skizze auf dem Ladentisch glücklich gelöst wird.

Tausendfach Knöpfe

Mercerie, oder zu Deutsch «Kurzwaren», werden jene Geschäfte bezeichnet, die sich dem Angebot von Nähzubehör verschrieben haben. In Chur gibt’s noch eines davon: Die Mercerie der Paulina Kleger-Malojer, Anfang des letzten Jahrhunderts aus der Posamenterie Stecher herausgewachsen. Knöpfe, Faden, Reissverschlüsse und Spitzen stehen im Sortimentszentrum, das natürlich die Generationen nähender Frauen in den Bann zieht. Kein Wunder: In den Schachteln schlummern Tausende von Knöpfen, in den verschiedensten Grössen, Farbabstufungen und zu jedem Textilartikel passend - schlichtweg die grösste Knopf-Auswahl im Kanton.

Das Angebot der nützlichen und gleichzeitig zierenden Scheibchen ergänzt Paulina Kleger regelmässig mit neuen, an die jeweiligen Modetrends angepassten Kreationen, also nichtv vom «Knopf in der Mottenkiste». Die Qual der Wahl zeige sich oft darin, meint die Kurzwarenhändlerin, wenn etwa die Auslese von drei Knöpfen eine halbstündige Kundinnenberatung erfordere. Ebenfalls immer a jour gehalten wird der das ganze Farbspektrum abdeckende Fadenkasten und das Sortiment der Reissverschlüsse, die in allen Längen erhältlich sind und wenn nötig im Geschäft auf das gewünschte Mass gerichtet werden. Die Mercerie-Artikel, zu denen auch verschiedenste Klöppelspitzen zählen, werden ergänzt durch eine grosse Auswahl an Stoffartikeln wie spezielle Tücher, Tischdecken, originelle Küchenschützen usw.
Walter Schmid