Aus der Churer Erde auf den Teller

Die Knospen spriessen, der Schnittlauch reckt sich, der Peterli grünt - und die Lilien gedeihen. Von letzteren gibt es etwa 300 Arten, darunter das Liliengewächs namens Gemüse-Spargel oder korrekt «Aspargus officinalis». Seit Jahren wird diese Frühlings-Delikatesse auch in Chur angebaut und kommt aus der Erde direkt auf den Teller.

Frühlingszeit - Spargelzeit. Kaum ein Restaurant in Chur, das im April nicht saisongerecht mit Spargelgerichten aufwartet. Die wichtigsten europäischen Produzenten sind in Frankreich, Griechenland, Italien und Deutschland zu finden, wobei in den hiesigen Küchen fast ausschliesslich französische Exemplare gaumengerecht zubereitet werden. Doch warum in die Ferne schweifen, wenn sozusagen vor der Haustür der Churerinnen und Churer das delikate Gemüse wächst?

Churer Spargeln seit 10 Jahren

Auf das anspruchsvolle Parkett des Spargelanbaus hat sich im Frühling 1988 der Churer Landwirt Hanspeter Gisler gewagt. Ähnliche Voraussetzungen wie in den traditionellen Anbaugebieten, nämlich lockeren Sandboden, fand Gisler beim Schützenhaus. Tausende von Jungpflanzen aus französischen Provenienzen brachte er damals ein. Nach zwei Jahren Pflege wurde der sowohl kapital- wie auch arbeitsintensive Einsatz mit der ersten Ernte belohnt: Die «Churer Spargel» war geboren. «Etwa zwölf Jahre kann eine Spargelpflanze bewirtschaftet werden», erklärt Hanspeter Gisler, «dann müssen neue gesetzt werden.» Die Anbauart des Churer Landwirts bringt die sogenannte Bleichspargel hervor. Dazu werden jeweils im März die Beete mit Erde angehäuft und mit schwarzer Folie überdeckt. Dadurch kann das Wachstum der in der Erde gedeihenden Pflanzen beschleunigt werden. Erreicht der Boden eine Temperatur von rund zehn Grad so setzt das Wachstum ein und - ideale Bedingungen vorausgesetzt - können die Stangen, kurz bevor sie die Erdoberfläche durchstossen, ab etwa der zweiten Hälfte April «gestochen» werden. Lässt man die Spargel ohne die Beete anzuhäufen aus dem Boden wachsen, so werden sie grün und somit zu «Grünspargeln».

Ein Stück Kulturgut

Feldpflege sowie Ernte sind sehr aufwändig. Allein für die «Sauberhaltung» der rund 2.5 ha grossen Anbaufläche vor Unkraut werden Wochen investiert. Dazu kommt die regelmässige Beobachtung der Kultur etwa auf Schneckenbefall oder andere Schädlinge, die, nicht rechtzeitig erkannt, eine ganze Ernte vernichten können. Spargelanbau sei ein Stück echter Kultur, versichert Hanspeter Gisler, und eine spezielle Herausforderung, ähnlich dem Weinbau. «Man muss die Felder ständig beobachten, kontrollieren und pflegen, was die Arbeit zwar intensiv aber auch spannend und interessant macht.» Die eigentliche Ernte ist nicht jedermann Sache. «Einerseits braucht es viel Erfahrung, um die Stangen unter der Erdoberfläche einzeln und richtig auszustechen, andererseits seien robuste Konstitutionen gefragt, geschehe doch die Ernte nicht eben in Rücken schonender Haltung.

In der letzten Aprilwoche, bei warmer Witterung schon früher, schätzt der Hanspeter Gisler, könne in diesem Jahr mit der Ernte begonnen werden. Die Ausgestochenen Stangen kommen dann in die Obhut seiner Frai Cecile zur Grobsortierung. Die Spargeln werden gewaschen, geschnitten, einer Schockkühlung unterzogen und im Kühlraum gelagert. Hier bleiben sie nicht länger als zwei Tage, oft sogar weniger als einen. «Denn das Ziel ist», sagt Hanspeter Gisler, «die Spargeln möglichst schnell an die Endverbraucher zu bringen.» Jeweils am Samstag bis etwa Mitte Juni ist Verkauf direkt ab dem Hof am Rheinfelsweg. Dort erhalten die Kundinnen und Kunden die mittlerweile begehrten «Churer Spargel» gerüstet, geschnitten und nach Dicke sortiert.

Die Spargel, eine Gattung der Liliengewächse wie auch der Knoblauch und die Tulpe, stammt ursprünglich aus Vorderasien. Die Sprosse kochte man ab und nutzte den Abguss als Harn treibendes Getränk. In den Klöster merkte man später, dass das Gemüse auch essbar ist und kultivierte die Pflanze. Im Laufe der Zeit entstanden neue Züchtungen, der Geschmack wurde verbessert, bis man schliesslich auch im Abendland auf den Gusto der Spargel kam.

Churer Spargeln in Churer Restaurants

Seit einigen Jahren ist das Hotel Duc de Rohan ein Abnehmer der «Gisler-Spargeln». Dort zaubert der Küchenchef jeweils ab Erntebeginn Spargelgerichte in allen Variationen. Ebenfalls den Churer Spargeln erlegen ist das Romantik Hotel Stern. Die hauseigene Anbaufläche wird ebenfalls von Hanspeter Gisler betreut, die Ernte besorgt allerdings die Crew vom «Stern». Jeweils in den frühen Morgenstunden trifft man den Geschäftsführer Werner Vetterli mit einem halben Dutzend MitarbeiterInnen auf dem Spargelfeld an. «Für uns ist das eine ungewohnte und anstrengende Arbeit, der Lohn dafür sind aber ein paar herrliche Stunden draussen in der Morgensonne und die Gewissheit, dass unsere Gäste in den Genuss wirklich frischer und einheimischer Spargelgerichte kommen.» Nicht um Spargeln herum kommt man auch beispielsweise im «Sommerau» beim traditionellen Spargelfestival ab April oder im «Kornplatz», wo die Kunst der Spargelzubereitungen ebenfalls zelebriert wird.

Walter Schmid¨