Mit den besten Wünschen für ein glückliches und erfolgreiches Jahr starten wir ins dritte Jahrhundert gemäss der christlichen Zeitrechnung. Richtig gelesen, das dritte Jahrhundert beginnt nämlich erst jetzt. Was wir vor einem Jahr unter dem Schlagwort Millennium erlebt haben, war nichts anderes als ein vorgezogenes Spektakel, begleitet von organisierter Fröhlichkeit und gesponsort von der Computerindustrie, die den grossen Reibach machte.

buehler.jpg (7132 Byte)
Stefan Bühler


Weltuntergang
ade


Die christliche Zeitrechnung hat aber mit dem Jahr 1 begonnen. Dass der syrische Mönch Exiguus im 6. Jahrhundert die Geburt zu Bethlehem als Ausgangspunkt für seine Zeitrechnung vier Jahre zu spät festlegte, tut nichts zur Sache. Korrigiert wurde das nämlich nie, auch wenn der irische Erzbischof James Ussher den Fehler schon 1650 entdeckt hatte. Klar ist heute, dass wir im dritten Jahrtausend angelangt sind.

Und was soll man sich wünschen am Anfang zu einem neuen Jahrtausend? Jetzt, wo wir alle Weltuntergangs- Prophezeiungen überlebt haben, könnte ja wieder der ganz einfache Wunsch nach mehr Menschlichkeit und mehr Frieden aufkommen. Vielleicht erleben wir es noch einmal, dass nicht ständig die Frage nach dem Weltuntergang gestellt wird und labile Gemüter damit verunsichert werden. Die Endzeitpropheten der Vergangenheit lebten schliesslich selbst in Unsicherheit. Etwa der südfranzösische Arzt Michel de Notredame, besser bekannt als Seher Nostradamus, der Mitte des 16. Jahrhunderts mit der Niederschrift einer berühmten Zenturien begann, jenen Büchern mit je hundert prophetischen Vierzeilern, die alles sagen und nichts bedeuten. Auch Nostradamus musste erleben, wie Tausende an der Pest starben, darunter seine ganze Familie. Dass sein mit dem Jahr 1999 datierter Weltuntergang nicht stattgefunden hat, wissen wir inzwischen auch.

Oder hat Nostradamus den kleinen Weltuntergang gemeint, den wir vielleicht täglich erleben? Wenn eine Beziehung in die Brüche geht, ein nahestehender Mensch stirbt, eine Hoffnung sich zerschlägt? Warum können wir damit immer schlechter umgehen, obwohl wir doch als aufgeklärt gelten? Warum suchen immer mehr Menschen ihr Heil im Aberglauben, vom esoterischen Firlefanz hin bis zum Fiat Lux? Nostradamus, die Bibel, die Astrologen, alle sagen uns den Weltuntergang bevor mit der Aussicht auf eine bessere Welt danach. Darob vergessen wir wohl, dass wir es selbst in der Hand haben, für eine bessere Welt noch vor dem Untergang zu sorgen. Täten wir das etwas aufrichtiger und ernsthafter, könnte man die Frage, ob es ein Leben vor dem Tod gibt, durchaus mit Ja beantworten.