Es tut sich was hinter
den "sieben Gleisen"

Nach einer langen und dornenvollen Planungsphase ist am 4. Mai mit der ersten Ausbauetappe für einen neuen, modernen Bahnhof begonnen und das Ende der für Gäste und Einheimische unerfreulichen Zustände eingeläutet worden. Unter, neben und hinter den Gleisen wird emsig auf den Dezember 2004 hingearbeitet, wenn das Angebotskonzept "Bahn 200 Zürich-Graubünden" verwirklicht wird.
Der Bahnhof Chur ist der Nabel des öffentlichen Verkehrs für Graubünden. Täglich fahren 400 Züge der SBB und der RhB ein und aus. 15 000 Personen benützen jeden Tag die Personenunterführung, die im Zuge des durchgreifenden Um- und Ausbaus der Bahnhofanlage in den Jahren 1926 bis 1928 angelegt wurde. Diese Passage, durch die bahnreisende Gäste von und zu den Nobelkurorten von Graubünden gehen müssen, ist dem Zahn der Zeit anheim gefallen und zum Negativimage der Bündner Metropole geworden. Die Reisenden können nicht tun, was für viele ChurerInnen selbstverständlich geworden ist, nämlich einen Umweg zwischen Stadt- und Rheinquartier in Kauf nehmen und den Trip durch das "geplättelte WC" im Alter von 73 Jahren meiden.

Begehbar ab Frühling 2003

Mit dem Baubeginn Anfang Mai dieses Jahres ist das Schicksal dieser völlig zu Recht als unzumutbar bezeichneten Unterführung besiegelt worden. Denn als erstes Werk des zukünftigen Bahnhofs wird nur wenige Meter neben der noch bestehenden die neue Unterführung gebaut. Die Vorbereitungen dazu laufen auf Hochtouren. Demnächst werden sich Bagger von der Gürtelstrasse her 5 Meter tief und 15 Meter breit unter allen Gleisen durch zum Bahnhofplatz vorarbeiten. Anschliessend wird die neue Unterführung mit Treppen- und Rampenaufgängen zu den Perrons und den beidseitig liegenden Stadtteilen betoniert. Im Frühjahr 2003 ist es dann soweit: Die ersten Bahnpassagiere werden durch die Unterführung die Züge erreichen und ChurerInnen nicht mehr auf Umwegen von der Neustadt in die Altstadt und umgekehrt spazieren.

Neue Perronanlagen

Ab Herbst 2002 erfolgt in einer zweiten Bauphase die Erneuerung der Bahnsteige. Die Perrons werden verlängert, auf Einstiegshöhe angehoben und die Dächer saniert oder neu gebaut. Während der unterirdische "Vortrieb" der Unterführung abseits des Publikums vonstatten geht, wird die Erneuerung der Perrons sowohl für die Bahnkunden wie auch für die Verantwortlichen des Bahnhofs die schwierigste und spürbarste sein. Reisende und Bauequipen werden sich hautnah begegnen, was eine minutiöse Planung und Vorbereitung erfordert, damit der tägliche Bahnbetrieb störungsfrei und weiterhin sicher abgewickelt werden kann.
Die RhB erhält ein neues Perron, womit sich die Kapazität deutlich erhöhen lässt. Der Ausbau der Gleisanlagen auf der Westseite des Bahnhofs - verbunden mit der Verbreiterung der bestehenden Plessurbrücke um rund 60 Meter - wird vor allem nötig als Ersatz für die auf dem Bahnhofplatz und im Bahnhof selber (Neubau RhB-Perron) wegfallenden Abstellgleise.

Das technische Herz

Die für den Bahnbetrieb wichtigste Erneuerung besteht im Ersatz des Stellwerkes aus dem Jahre 1932. Obwohl dieses die Sicherheitskriterien im täglichen Betriebsablauf auch heute noch erfüllt, ist ein neues Stellwerk nicht nur im Hinblick auf die "Bahn 2000" eine absolute Dringlichkeit. Die antiquiert anmutenden Sicherungsanlagen sind mit dem Zeitalter der digitalen Technik schlicht nicht mehr kompatibel und bezüglich Wartung und Bedienung aufwendig und schwerfällig. Das neue technische Herz des Bahnhofs Chur wird auf dem Areal der ehemaligen Hauptwerkstätte bis Mai 2002 gebaut. Es beherbergt neben sämtlichen elektronischen Anlagen für einen sicheren und raschen Bahnbetrieb auch die Arbeitsplätze für die Betriebsführung.

Die neue Friedaubrücke

Derzeit wird unter der alten Friedaubrücke (Rheinstrasse) ein riesiges Schutzgerüst eingebaut. Es schützt den Bahnbetrieb vor den Bauarbeiten und die Arbeiter vor den Gefahren der elektrischen Fahrleitungen. Mit Diamantfräsen wird die alte Brücke in Einzelteile zersägt, die von riesigen Pneukranen nachts aus dem Bereich der Gleise gehoben werden. Für mehr als ein Jahr bleibt die Rheinstrasse gesperrt, damit die neue Brücke in Stahl- und Betonkonstruktion gebaut und im Spätherbst 2002 eingeweiht werden kann. Nach dem markanten Postautodeck erhält Chur damit ein zweites Wahrzeichen im Bahnhofgebiet.

2. Etappe in Vorbereitung

Die Projektierungsarbeiten für die zweite Etappe sind zur Zeit in vollem Gange. Sie betreffen im Wesentlichen die Einführung der Arosa-Bahn in den Bahnhof auf dem Bahnhofplatz, die städtebauliche Lösung im Bereich des Güterschuppens und die Neugestaltung des Bahnhofplatzes oberirdisch sowie eine kommerzielle Nutzung desselben unterirdisch.
Bei der Stadt geht man davon aus, dass im Herbst die öffentliche Auflage erfolgen wird, um dann Ende dieses oder zu Beginn des nächsten Jahres den revidierten Gesamtüberbauungsplan dem Gemeinderat zur Genehmigung zu unterbreiten.

Walter Schmid