April ist, wenn man den inneren Schweinehund überwindet und sich an den Frühlingsputz macht. Irgendwie muss es mit der Jahreszeit zusammenhängen. Oder mit der Religion. Mit Fasten kann man zwar sein Inneres reinigen, die verschmutzen Scheiben werden davon aber nicht sauberer. Wer nun meint, der vom Fasten geschwächte Mitbürger habe gar keine Kraft mehr für den Frühjahrsputz, täuscht sich. Gerade beim Mann entwickelt die aktuelle Jahreszeit temporäre Blüten. Ob es sich nun um seinen ersten, zweiten oder letzten Frühling handelt.

 

buehler.jpg (7132 Byte)
Stefan Bühler


Frühlingsgefühle

Die Tage werden länger und nicht nur sie. Die Mitglieder des anderen Geschlechtes wirken noch schöner als vor ein paar Wochen. Vergessen der Herbst, als die Männer meinten, sie könnten verduften, nur weil die Frauen verblühen. Die Temperaturen steigen, die Kleider werden luftiger, die Anzahl der Liebespaare steigt. Schuld daran ist tatsächlich der Frühling, oder genauer: die Chemie. Das viele Licht verändert den Hormonspiegel, und die sexuelle Erregbarkeit steigt. Parallelen zum Tierreich sind nicht von der Hand zu weisen. So kommt bei Vögeln die gleichnamige Tätigkeit vor allem im Frühling vor, aus klimatischen, hormonellen und auch aus praktischen Gründen. Schliesslich baut man sich das Nest in dieser Jahreszeit und nicht im Winter.

Und dieser Nestbau dürfte auch beim Menschen weniger christliche oder heidnische Gründe haben als vielmehr auf die gleichen Instinkte wie bei den Tieren zurückgehen. Weil wir ein Volk von Mietern sind, müssen wir das Nest nicht mehr bauen. Putzen können wir es aber allemal. Dazu drängt uns der Instinkt, und die Umwelt macht es uns täglich vor. Etwa das Strassenbauamt, das regelmässig die im Herbst frisch geteerten Strassen aufreisst. Oder die Bahn, die nächtelang neue Gleise verlegt und uns den Schlaf raubt, den man auch am Tag nicht findet. Also kommt es nicht mehr drauf an; wenn wir schon diese evolutionsbedingte Erregung in uns spüren, können wir uns auch gleich selbst am Frühjahrsputz beteiligen. Dass dann die Fenster nicht mehr dicht sind, kann schon passieren. Vor allem, wenn wir das erste Mal in der Drogerie ein Dampfreinigungsgerät mieten und damit nicht nur den Schimmel, sondern auch gleich noch die Fugen umbringen. Zu viel Reinigung ist nämlich ungesund. Das sagen sich etwa die Bergbewohner im Norden Thailands, die sich nur einmal im Jahr mit Seife und Wasser waschen. Dies allerdings jedes Jahr, ob es nötig ist oder nicht. Vielleicht ist das der Grund, weshalb bei uns mehr Geld gewaschen wird als andernorts Bergbewohner. Es muss nur gewaschen werden, was schmutzig ist. Das erinnert uns an ein Gespräch zwischen zwei Bilanzen. Sagt die eine zur andern: ´Du siehst trotz des schlechten Jahres gut aus, wo lässt Du Dich frisieren?ª Erich Kästner hat schon früh erkannt: ´Das meiste auf der Welt geht nicht durch Gebrauch kaputt, sondern durch Putzen.ª Kommt dann endlich Ostern, dann sind wir geputzt und der Reinlichkeitswahn legt sich langsam. Zeit, dass man andere an unserem Glück teilhaben lässt. ´Ist es dann an Ostern schön und warm, kommt die Verwandtschaft und frisst Dich armª, heisst der Anfang einer halben Weisheit. Die andere Hälfte lautet: ´Ist es an Pfingsten schön und heiter, kommen sie wieder — und fressen weiter!ª Aber wenigstens wissen wir, weshalb unsere Wohnung stubenrein gestylt wurde.

Stefan Bühler