Im Februar ist Fasnacht, Zeit also, die Maske abzulegen, die man üblicherweise das Jahr hindurch trägt. Inzwischen feiern wir zwar auch Halloween, wissen allerdings nicht, warum. Anders bei der Fasnacht – endlich kann man sich geben, wie man wirklich ist. Nur schüchterne Geister fliehen heute noch in eine Guggenmusik; wer etwas auf sich hält, geht als Einzelmaske durch die Strassen. Wer zahlt schon gerne Tantiemen? 100-mal den Schneewalzer gespielt kostete bislang zwölf ab-gefrorene Finger, neuerdings kommen Urheberrechtsge-bühren dazu.

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Stefan Bühler


Randnotizen zur Fasnacht

Vorbei die Zeiten, in denen Karl Grossmann den Jugendmarsch kostenlos durch den Saal des Drei Könige schmetterte. Früher wurde die Urheberschaft als Geheimnis gepflegt, heute als neue Einnahmequelle.
Eigentlich eine gute Gelegenheit, die Guggenmusiken ganz zu verbieten. Oder mindestens eine Vorprüfung zu verlangen. Wer über kein ausreichendes Repertoire verfügt, wird mit der Verbannung an die Emser Fasnacht bestraft. Besonders schwere Fälle müssen einer Sitzung des Gemeinderates beiwohnen oder alternativ 12 Stunden Radio Grischa hören.
Die Churer liessen sich trotz Verbot nie davon abhalten, mit Spiel, Tanz und Maskentreiben zu feiern, schon vor dem 19. Jahrhundert, als dies noch verboten war. Ein eher derber Zwischenfall ereignete sich im Jahre 1639, als während der Fasnacht im Staubigen Hütli in der Poststrasse der Kopf von Jörg Jenatsch gespalten wurde. Sonst war der Schabernack meist harmloser. Ausser im Jahre 1799, als der Churer Maskenzug im ganzen Land für Empörung und Unwillen sorgte. Da wurden einige als Franzosen verkleidete Teilnehmer symbolisch geprügelt, einen mitgeführten Freiheitsbaum schmiss man kurzerhand in die Plessur. Wie die Geschichte weiterging, ist bekannt: Napoleon war darob sehr erzürnt, zitierte eine Bündner Gesandtschaft 1803 nach Paris und diktierte dieser eine neue Verfassung. Da rechtfertigt es sich selbstredend, dass wir die 200-Jahr-Feier nach Zürich verlegen, genau so wie die WEF-Demos und andere humorlose Angelegenheiten.
Noch einmal sorgte die Churer Fasnacht für Schlagzeilen in der internationalen Presse, als nämlich der hiesige Bankverein statt Altpapier aktuelle Kontoauszüge für die Schnitzelkanone am Umzug zur Verfügung stellte und damit eine frühe Interpretation des Bankgeheimnisses nach dem Geschmack der EU lieferte.
Einst und heute hatte die Stadtpolizei alle Hände voll zu tun, um den Auswüchsen zu begegnen. Wenn heute ein schnauzbärtiger Stadtpolizist die Verkehrsteilnehmer am Obertor tanzen lässt, heisst das nicht, dass die Fastnacht begonnen hat. Churer Polizisten sind das ganze Jahr verkleidet. Früher erkannte man sie an der stattlichen Statur, und man durfte sie noch Tschugger nennen. So ein bäumiger Stadtpolizist ertappte eine Gesellschaft lange nach der Polizeistunde in einer Wirtschaft. Statt jeden Einzelnen zu büssen, schlug er vor, dass man sich auch als Verein konstituieren könne, das würde dann nur eine bescheidene Globalbusse absetzen. Sofort gründete man den Männergesangsverein «Jericho» und begoss das Ereignis mit der Obrigkeit, die es damit auch einfacher hatte mit der Schreibarbeit. Die Idee der Sammelbusse stammt also von einem Churer Polizisten.
Klar ist jedenfalls, dass die Churer Fasnacht weder Napoleon, Jenatsch oder sonst jemanden kalt lässt, der es nicht schon ist.

Stefan Bühler

 

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