Stopp-Kleber gibt es nur für die Briefkästen – warum eigentlich nicht auch für Radio, Fernsehen, Internet und Plakate? Warum stoppt kein Kleber die unselige Plakatkampagne der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, die beim ersten Blick selbst gegen das Rassismusgesetz verstösst? Wer das klein Gedruckte nicht liest, der meint zu wissen, wie die Juden zu ihrem Geld kommen, woher die Kosovo-Albaner ihre Autoradios haben, was ein Schwarzer mit seiner Frau über Mittag macht, warum die Tamilen ins Restaurant gehen und wozu die Türkinnen einen Müllsack brauchen.

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Stefan Bühler


Lob dem Stopp-Kleber

Zur Steigerung der Freude über diese Plakatkampagne trägt nur mehr die Tatsache bei, dass das eidgenössische Departement des Innern auch noch 200'000 Franken Steuergelder beisteuert. Damit wir dann glauben, die Thailänderinnen machen Licht, wenn es dunkel wird, «wie die meisten Schweizerinnen auch». Als ob die Schweizerinnen bei eintretender Dunkelheit nur darauf warten würden, dass sie das Licht anzünden dürfen. Diese Diskriminierung der Schweizerinnen sollte sofort gestoppt werden.
Was macht ein Schwarzer mit seiner Frau über Mittag? Das Kleingedruckte ist so klein, dass man die Antwort auch falsch lesen kann: «Er isst sie, wie andere Schwarze auch».
Der Fantasie für die zweite Staffel ist keine Grenze mehr gesetzt. Auf der nächsten Plakatserie ist dann ein Vertreter aus dem rätischen Kongo abgebildet mit der Frage: «Wann waschen sich die Oberländer die Hände, vor oder nach dem Brünzeln?» Die dazugehörige klein gedruckte Antwort: «Während. Wie andere Schweizer Männer auch». Oder international: «Was haben Dieter Bohlen und Luciano Pavarotti gemeinsam?» «Sie waren beide schon in Verona.»
Mit einem geschickten grammatikalischen Schwenker kann man jede gesetzliche Hürde umgehen, ob es nun um Diskriminierung, Ehrverletzung oder Verunglimpfung geht. So hat sich ein Parlamentarier dem Gesetz entzogen, indem er den Regierungsrat ermahnte: «Hindern Sie mich um Himmels Willen daran, dass ich Sie heute noch einen Vollidioten nenne.» Entschuldigen musste er sich schliesslich nur für die Bemerkung: «Die halbe Regierung ist sowieso unfähig.» Er nahm die Beleidigung mit dem Ausdruck des Betörens zurück. «Ich korrigiere: die halbe Regierung ist nicht unfähig.»
Damit jetzt keine Missverständnisse auftreten: Es handelte sich um eine Regierung ausserhalb des Kantons Graubünden. Die Bündner Regierung konnte gar nicht gemeint sein, da diese durchwegs fähig ist. Sie ist sogar zu allem fähig.
Im Gegensatz zu den Plakaten haben die Zeitungen wenigstens Stil. Sie machen für sich selbst Werbung, indem sie die Werbebotschaft überkleben. Zudem müssen die Anzeigen so platziert werden, dass keine Markt verzerrende Konklusion entsteht. So verlangen die Hersteller von Zigaretten, dass sie nicht in der Nähe der Seite mit den Todesanzeigen platziert werden. Sie wollen schliesslich die Glimmstengel verkaufen und sich nicht dem Verdacht aussetzen, dass sie das Schwarzgerahmte sponsoren.
Beim Internet fehlen die Stopp-Kleber ebenfalls. Diese Werbung geht einem schon deshalb auf den Keks, weil man die Leitungsgebühren dafür auch noch bezahlt. Das sieht dann am Beispiel der Homepage von Bluewin so aus: Zur Schlagzeile «Tote und Verletzte bei Anschlag in Istanbul» blendet sich die Werbung ein mit dem Slogan: «Abheben mit dem Städteführer – mit einem Klick zum Romantik-Trip». Aber selbstverständlich waschen sich die Werber auch hier ihre Hände in Unschuld.
Vor, während und nach dem Brünzeln ihrer Texte.

Stefan Bühler

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