Smalltalk im Caféhaus

«Elvis war überrascht, dass ich so gut Englisch konnte»
Er hat die Musikszene von Chur geprägt: Fritz Trippel, Jazz-Pianist unterschiedlichster Stilrichtungen und (nicht nur) Churer Jazz-Legende zu Lebzeiten. Bei einem Smalltalk im Café Merz – wo durch den von ihm initiierten und vor drei Jahren gegründeten Verein «The Second Line» regelmässig Jazzkonzerte veranstaltet werden – hat der 66-jährige Churer über Engagements geplaudert und sich an lange zurückliegende Begegnungen erinnert.

Text und Bild: Walter Schmid


Fritz Trippel, wie geht es Ihnen?
«Ganz gut, danke. Die Herausgabe der vier CD’s über 60 Jahre Jazz in Chur hat sich zwar wegen Krankheit verzögert. Dank Vorarbeiten von den zwei Churer Ur-Jazzern Toni Schädler und Werner Tester ist es eine gute Sache geworden und macht Musik-Kultur von Chur unvergessen und jederzeit hörbar. Jetzt konzentriere ich mich wieder auf meine Engagements. An vier Abenden pro Woche spiele ich im Al Torchio in Ascona. Die Ambiance dort ist wie in Klubs in New Orleans – heiss und rhythmisch, im Gegensatz zu vielen Lokalen in der Deuschschweiz. Und schon seit Jahren unterhalte ich jeweils sonntags die Gäste im Hotel Waldhaus am See in St. Moritz beim Apéro und Nachtessen. Die restlichen Abende spiele ich an unterschiedlichsten Privatanlässen, an Partys, Hochzeiten, Geburtstagen, manchmal allein, manschmal mit Muja am Schlagzeug. Und jahraus, jahrein übe ich tagtäglich mindestens zwei Stunden am Instrument und halte mich musikalisch fit für das Klavierentertainment. Das zieht sich als roter Faden durch mein Musikerleben und hat seinen Ursprung 1942, als ich als Fünfjähriger mit dem Klavierunterricht begann und dabei meinen Beruf und meine Passion fand.
Mit sechzehn war ich Bar-Pianist in der Franziskaner-Bar in Chur und nahm Unterricht bei Joe Turner in Zürich. Mit zwanzig war ich dort Mitbegründer der Oldtime Jazzband Harlem Ramblers, die es heute noch gibt. Wir tourten durch ganz Europa. Dazwischen erhielt ich Engagements als Solopianist.
Zum Beispiel im Frankfurter Storyville. Es war der 8. Januar 1960, als mich der Besitzer, ein Mister Marshall, ans Klavier in den Saal im oberen Stock schickte, wo eine amerikanische Gesellschaft den Geburtstag eines sympathischen 25-Jährigen feierte. Dieser kam mir sehr, sehr bekannt vor. Und als er mich dann fragte, could you possibly play Muss i denn zum Stedtele hinaus?, war alles klar. Ich weiss noch, wir haben das Stück vierhändig in D-Dur gespielt, Elvis hat gesungen. Dann gaben wir noch Blues- und Boogie-Sessions, wir haben geplaudert und Elvis war überrascht, dass ich so gut Englisch konnte.

In den einschlägigen Jazz-Lokalen in Europa trafen sich damals allerhand Musiker und es kam zu Begegnungen, die im Nachhinein fast unglaublich scheinen. Ende 1960 waren wir mit den Harlem Ramblers erneut in Hamburg. Nach unserem Auftritt ging ich um Mitternacht regelmässig in den nahe gelegenen Kaiserkeller. Meine Freundin
arbeitete dort an der Bar. Junge Engländer namens Silver Beatles spielten dort Stücke von Little Richard und Faz Domino zwischen den Schlammringkämpfen leicht bekleideter Damen. Das Publikum bestand fast ausschliesslich aus Seeleuten und Soldaten. Paul McCartney, John Lennon, George Harrison, Pete Best hiessen sie. Eine Frau war auch immer mit ihnen, die den Jungs ihre speziellen Frisuren verpasst hat. Die Silver Beatles haben mich auf die Bühne ans Klavier gerufen und dann gab’s unvergessliche Sessions. Früh morgens sind wir dann oft zusammen auf ein Bier gegangen und John Lennon wollte meistens noch ins Rotlichtmilieu in die Herbertstrasse … aber lassen wir das. Einer der besten und bekanntesten Jazz- und Blues-Clubs der damaligen Zeit war der vom Trompeter Ken Colyer im West End von London an der Newport Street. Er hatte dort das berühmte Studio 51. In Colyes Band spielten auch Mister Ackerbilk und Chris Barber. Ich war dort 1962 als Pausenpianist engagiert. An einem Sonntagnachmittag kamen ein paar Jungs reinmarschiert. Charly Watts kannte ich von einer früheren Begegnung in Kopenhagen. Mick Jagger, Bill Wyman und Keith Richards sah ich zum ersten Mal. Weil ihr Pianist ausgestiegen war, spielte ich dann für sie am Klavier. Später wollten sie mich gegen einen Lohn engagieren. Aber ich winkte ab, weil ich gehört hatte, dass die Jungs immer pleite waren und ich, im etwa gleichen Alter wie sie, von meinen Engagements gut leben konnte.
Im Zuge der lange anhaltenden Bekanntschaft mit den Stones, die ihren ersten Auftritt bei Ken Colyer hatten und 1962 als Band gegründet wurden, lernte ich auch Alexis Corner kennen. Er war ihr eigentlicher Förderer und damals der einzige europäische Verfechter des Blues. Dank ihm und den Stones ist der authentische Blues in den Sechzigerjahren populär geworden.
In den späten Sechzigerjahren, während dem Vietnamkrieg, habe ich in Seoul gespielt. Auch 1969. Damals wurden in Chur Dutzende von Jugendlichen wegen ein bisschen Marihuana rauchen verhaftet, in den Sennhof gesteckt und an einem Monsterprozess im Stadttheater abgeurteilt. Weil jemand bei den Verhören behauptet hat, der Fritz Trippel habe auch schon geraucht, wurde ich steckbrieflich gesucht. In Abwesenheit haben sie mich dann zu 250 Franken Busse verurteilt. Ich erzähle das, weil ich damals unbedingt auch nach New Orleans, in die Heimat des Blues, wollte. Aber diese läppische Vorstrafe hat dazu geführt, dass ich von den Amerikanern kein Visum erhalten hatte.
Die Liste von Begegnungen mit illustren Leuten und Berühmtheiten ist fast endlos. Die Party bei Frank Sinatra im Suvretta House in St. Moritz, wo ich am Klavier sass, gehört dazu, die Sessions mit Jimi Hendrix 1968 oder 1976 mit Status Quo in Zürich, die Bekanntschaften mit Hollywood-Grössen wie Yul Brynner, Orson Welles, Deborah Kerr im Privatclub Fife to Fife in Klosters, wo ich 1962 Hauspianist war. Unvergesslich ist auch das Engagement im Palace in Gstaad 1961, wo ich Louis Armstrong am Klavier begleiten durfte, weil sein Pianist ausgefallen war. Ich war damals 24. Satchmo nannte mich Young Blood. Das bin ich im meinem Innern immer noch. Und Blues, Jazz und Boogie, die damals und auch heute noch gespielt werden, sind es auch noch und werden immer wieder aufgefrischt – mit Young Blood.»

Anhang
Fritz Trippel, dessen internationale Stationen als gefragter Pianist in Jazz- und Bluesformationen Seiten füllen würden, ist immer wieder in seine Heimatstadt Chur zurückgekehrt. U. a. war er Gründungsmitglied des Jazz Clubs Chur (1977), rief im gleichen Jahr ein Schallplatten-Label ins Leben (mit dem Zweck, jungen Bands die Möglichkeit zur Produktion von Tonträgern zu bieten), war Initiant zur Gründung des Vereins Musikszene Chur, in dessen Zusammenhang er Förderarbeit leistete, in vielen jungen Formationen spielte und mit ihnen auf Tourneen ging. 1985 wurde Trippel mit dem Kultur-Anerkennungspreis des Kantons Graubünden und 2001 mit dem Anerkennungspreis der Stadt Chur geehrt. Die von ihm eben erschienenen vier CD’s «60 Jahre Jazz in Chur» sind bei «Classico! Jehli» (Ochsenplatz) und bei «Jazz Welt» (Herrengasse) erhältlich.


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