Jubiläum

200 Jahre Bündner Kantonsschule

Am 1. Mai 1804 versammelten sich vier Lehrer und 27 Schüler zum ersten Mal, um gemeinsam den Unterricht in der neuen Bündner Kantonsschule abzuhalten. 200 Jahre später ist aus der kleinen Schule eine Organisation entstanden, die rund 1350 Schülerinnen und Schüler und fast 200 Lehrpersonen umfasst. Das Jubiläum wird in den kommenden Monaten mit verschiedenen Anlässen gefeiert.

Text und Bilder: Walter Schmid

Die Ideen der Aufklärung wirkten aber auch in Graubünden. Chur bekam eine Lateinschule, die nicht «nur für die Kirche, sondern auch für den Staat und die Welt erziehen wollte». An ihr wirkte Pfarrer Peter Saluz. Im Jahre 1794 wollte die ausserordentliche Standesversammlung unter dem Einfluss der französischen Revolution die Adelsherrschaft beseitigen und die Demokratie sichern. Aber wie? Pfarrer Saluz wusste es, indem er die Herren eindringlich mahnte: «Es hilft euch nichts, dass ihr diese oder jene Grossen im Lande erniedrigt; solange ihr und eure Söhne so unwissend bleibet, müsst ihr doch immer jemand haben, der eure Landes- und Gemeindegeschäfte besorgt … Denket vielmehr darauf, wie ihr überall im Lande bessre Schulen einführen wolltet.» Sein Ruf verhallte nicht ungehört. Im Jahrzehnt der Mediation machte Graubünden grössere Fortschritte als früher in drei Jahrhunderten. 1804 wurde die evangelische Kantonsschule im Buol’schen Hause (heute Rätisches Museum) eröffnet. Doch nur kurze Zeit später übertraf die Schülerzahl das beschränkte Platzangebot. Rasch musste Abhilfe geschaffen werden. Die Stadt Chur zeigte sich kooperativ und 1811 konnte der Einzug in das umgebaute städtische Primarschulhaus Nicolai vollzogen werden.

Seit 1850 an der Halde
39 Jahre lang unterrichtete man die protestantischen Jünglinge aus Rätien im «Klösterlein» in der Altstadt. Die Katholiken empfingen ihre Ausbildung vorerst im Kloster Disentis, von 1808 bis 1830 im Prämonstratenserkloster St. Luzi in Chur, 1833 bis 1941 nochmals in Disentis und 1842 bis 1850 wieder in St. Luzi.
Erst nach viel Kampf und Unrast zwischen der protestantischen und katholischen Mittelschule war es dann im Jahre 1850 soweit, dass man fortan von einer vereinigten Kontonsschule sprechen durfte. Diese entstand nach Plänen von Felix Wilhelm Kubly zwischen 1847 und 1850 an der Halde neben dem Priesterseminar St. Luzi. Ende 1963 wurde auf dem Cleric’schen Gut am Plessurquai der Schulbetrieb im neuen Seminargebäude aufgenommen. Gleichzeitig war die Planung für den Neubau der Kantonsschule an der Halde im Gange. Nach Sprengungen des alten Konvikts im September 1968 und den ersten Kantonsschulgebäuden an der Halde. 1970 war das Terrain bereit für den Bau der neuen ausgedehnten Kantonsschule, die im Mai 1973, im Beisein von Bundesrat Hans Peter Tschudi offiziell eingeweiht wurde und seither Bestand hat.

Ständige Schulreformen
Neben der baulichen Entwicklung ist auch das Schulwesen an der Kantonsschule ständigen Reformen unterworfen gewesen. Im neu erscheinenden Buch «200 Jahre Bündner Kantonsschule» (siehe Seite 9) wird auch auf diese Aspekte eingegangen. Rektor Dr. Hans Peter Märchy fast diesen Wandel in seiner Einleitung zusammen: «… Während in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts europäische Ereignisse die Entwicklung der Schule noch stark prägten, wurden im Verlaufe der Zeit eidgenössische Veränderungen und kantonale Eigenheiten für das Gymnasium, das Seminar und die 1895 eingeführte Handelsmittelschule immer wichtiger. Den intensiven Reformen der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gingen jahrzehntelange bildungspolitische Auseinandersetzungen voraus, welche zu den MAV-Revisionen von 1968 und 1972, dem Schulkonkordat von 1970 und dem Bericht «Mittelschule von morgen» im Jahre 1972 führten. Die Einführung der Diplommittelschule 1986, der kaufmännischen Berufsmaturität 1994, des Maturitätsanerkennungsreglements im Jahre 1995 und des Reglements über die Anerkennung von Hochschuldiplomen für Lehrkräfte der Vorschule und der Primarstufe im Jahre 1999 sind Auswirkungen dieser bildungspolitischen Diskussionen und der sie begleitenden gesellschaftlichen Veränderungen.»

Ein hexisches Schauspiel
Seit die Kantonsschule an der Halde liegt, haben Abertausende von jungen lernbegierigen Menschen aus allen Kantonsgebieten tausendmal die Zugänge via Sennhofstrasse, Langer Gang, Hof- und die Planaterrastrasse begangen. Allein dieser «Aufstieg» dürfte bei vielen Erinnerungen an die «Kanti-Zeit» wecken. Damit auch kleinste Details wieder präsent werden, sind in den kommenden Monaten verschiedene Jubiläumsveranstaltungen programmiert.
Für die Öffentlichkeit stehen dabei zwei Hauptanlässe im Mittelpunkt. Zum einen wird es das Musiktheater «Barlot-Walpurgisnacht», zum anderen ein Ehemaligen-Treffen geben. Zu diesen beiden Anlässen erwarten die hauseigenen Organisatoren weit über 10 000 Besucher.
Unter der Leitung von Christian Klucker entsteht in Zusammenarbeit mit Texter und Regisseur Felix Benesch und den Komponisten Martin Derungs und Andi Schnoz (alles Ehemalige der Bündner Kantonsschule) ein Stück, das sich mit den Themen Walpurgisnacht, Hexenverfolgung und Mystik in Graubünden auseinandersetzt. Ganz bewusst wurde bei der Auswahl des Themas nicht auf ein schulisches Motiv zurückgegriffen. Das Schulische wird durch die 152 Sängerinnen und Sänger des kanti-chor chur, die 49 Musikerinnen und Musiker des Jugendorchesters Chur und den Spielort, die Dreifachturnhalle in der Sportanlage Sand, zum Ausdruck gebracht. Das dreisprachige Musiktheater «Barlot-Walpurgisnacht» erlebt die Première in der Walpurgisnacht, am 30. April 2004. Parallel zum Schauspiel wird in der Apéro-Bar «Walpurg» ein anderer wichtiger Aspekt des «Hexischen» zum Ausdruck gebracht: die Hexe als Vermittlerin von altem Wissen aus der Natur. Seit Beginn des Schuljahres sind die Hauswirtschaftslehrerinnen mit ihren Zweitgym-Schülern daran, Getränke und Speisen für den Barbetrieb in der «Walpurg» vorzubereiten.

Sapperlot! – für Ehemaligen
Vom 6. Mai an treffen sich während dreier Tage die Ehemaligen der Bündner Kantonsschule in Chur, um ihre alten Klassenkameraden und Jahrgänger wieder zu sehen. Anlässlich des Jubiläums vor 50 Jahren konnten die Organisatoren 4300 Ehemalige als Gäste empfangen. Es ist davon auszugehen, dass es dieses Jahr bedeutend mehr Ehemalige nach Chur ziehen wird. Die Interessierten können sich ab
Februar 2004 per Internet für den Anlass anmelden: www.kanti2004.ch.vu oder die Anmeldung per Post an die Bündner Kantonsschule mit dem Vermerk «Sapperlot» senden. Unter der Internet-Adresse können weitere Informationen zu Sapperlot! – gli ex s’incontrano, abgerufen werden. Parallel zu «Sapperlot! – ils anteriurs sa scuntran» findet am 8. Mai auch im Konvikt ein Ehemaligen-Treffen statt. Weitere Auskünfte sind unter der oben genannten Internet-Adresse oder unter folgenden Anlaufstellen erhältlich:
Konvikt, fon 081 257 18 58, fax 081 253 31 93, laperre@atb.gr.ch
Die Schülerschaft wird in mehrfacher Hinsicht ebenfalls in die Veranstaltungen zum Jubiläum integriert (Kurzübersicht siehe Seite 9). Über die verschiedenen Anlässe, die mit dem Kanti-Ball am 11. Dezember 2004 ihren Abschluss finden, wird in den kommenden Ausgaben des «Churer Magazins» berichtet.

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