Gastfreundschaft ist das Lächeln im Gesicht einer Region. Öfters hat man jedoch den Eindruck, die Gastgeber hätten gar nichts zum Lachen. Chur ist ein Touristenort, zur obersten Pflicht für jeden Gastgeber gehört es, die Regeln zu kennen und diese ans Personal auch weiterzugeben. Der Sünden gäbe es viele, man kann sie nicht alle aufzählen.
Beschränken wir uns auf ein paar Beispiele: In einem neuen Verteilzentrum am Stadtrand wäscht die Dame hinter der Theke das schmutzige Geschirr, raucht eine Zigarette und bereitet dann das bestellte Sandwich vor. Ohne Hände zu waschen und ohne Handschuhe zu benutzen.

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Stefan Bühler


Gastfreundschaft

Im Café im Stadtzentrum besetzen drei Angestellte die wenigen Plätze an der Bar, blasen ihren Rauch in die offene Brotauslage und lesen die Zeitung. Da werden keine Anstalten gemacht, für zwei eintretende Gäste den Platz und die Zeitung freizumachen.
Der Kellner, der ohne die Hände zu waschen die Toilette verlässt, ist leider auch keine Erfindung. Friedrich Schiller hat ihm im Ring des Polykrates schon ein Denkmal gesetzt: «Hier wendet sich der Gast mit Grausen …»
Wie wird man zum guten Gastgeber, im Hotel, im Restaurant, in der Firma oder zu Hause? Indem man sich fragt, wie und wo man sich selbst am wohlsten fühlt. Und sich bewusst darüber ist, dass man alles Gute bekanntlich noch besser machen kann. Der gute Gastronom zum Beispiel ist ein Mensch, der die Welt so sieht, wie sie isst. Bei dem man nicht Altmeister Goethe bemühen muss: «Das sind mir allzu böse Bissen / An denen die Gäste erwürgen müssen».
Die Grundsätze gelten auch für Hotels. Das perfekte Hotel ist zwar noch nicht erfunden. Dem Geheimnis eines guten Hotels kommen wir aber mit Tyler Brûlé, Gründer der Zeitschrift «Wallpaper», schon näher. Der Trendpapst bezeichnete Chur schiesslich als einen «urban haven» und als Ausgangspunkt zu einem «Outdoor Mekka», also weiss er schon, wann und weshalb ein Hotel gastfreundlich ist. Eine freundliche Receptionistin gehört dazu, eine gute Hotelbar und vor allem vernünftiger Wasserdruck. Einen Balkon oder sonst eine Möglichkeit, um die Kleider zu lüften, Acrylbilder eines einheimischen Künstlers, keine Bettüberwürfe, die sowieso nie gereinigt werden, und Personal, das anklopft, bevor es ins Zimmer kommt.
Wir alle haben als Gastgeber schon versagt, auch wenn wir die Grundsätze einer Einladung für eine Party in der Theorie kennen sollten. Eine Party sollte eine
Zusammenkunft sein, bei der am Ende die Gäste aufgeräumter sind als die Wohnung. Schlecht ist immer, wenn die Verwandten kommen und sich dann nicht nur wie zu Hause fühlen, sondern sich auch so benehmen. Um das zu vermeiden, muss man sich schon bei der Einladung gewisse Gedanken machen. Vor allem, wen man einlädt.
Das Problem stellt sich zur Zeit in Chur dem Sargmacher Caprez, der Kantonspolizei, der Casanova Druck und Verlag AG, der Kirag AG und der Nova Autoservice AG. Sie alle planen einen Tag der offenen Tür. Man hätte ja etwas mehr Individualität einbringen können, indem ein Tag des offenen Deckels, der offenen Zellen und der offenen Kaffikässeli geplant würde. So wird es zumindest am Samstag, 5. Juni, in Chur bei so viel offenen Türen auch viel Durchzug geben. Wir freuen uns, wenn möglichst viele an die Rossbodenstrasse kommen und den Casanova-Neubau besichtigen. «Von der Stirne heiss rinnen muss der Schweiss, soll das Werk den Meister loben», heisst es im Lied von der Glocke. Der Schweiss an 300 Tagen Bauzeit im Jahrhundertsommer deutet auf ein gutes Werk hin.

Stefan Bühler

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