Masans

Zwischen Rhein und Fürstenwald
Masans, das nördlichste Quartier von Chur, hat viele Gesichter. Wie kein anderes hat es in den letzten Jahren bevölkerungsmässig zugelegt und ist auch baulich endgültig mit der Stadt zusammengewachsen. Trotzdem: Dorfcharakter hat Masans immer noch und Mekka sozialer Institutionen von Chur ist das Gebiet zwischen Rhein und Fürstenwald, zwischen Kreuzgasse und Waisenhausstrasse schon seit dem
Mittelalter.

Text und Bilder: Walter Schmid

Die Masanser waren Masanser und keine Churer. In ihrem Vokabular gab es Ausdrücke, die man ein paar hundert Meter weiter südlich anders aussprach. Der Weg dorthin, in die Stadt, führt über die Masanserstrasse, die 1788 als Reichsstrasse und «chausséemässig in völliger Grede» bis vor die Stadtmauer fertig erstellt wurde. Noch vor hundert Jahren war sie auf weiten Strecken von Wiesen, Baumgärten und Ackerland gesäumt, die Masans von Chur trennten. Damals ähnelte das nördlichste Quartier von Chur mit seinem hohen Anteil an landwirtschaftlichen Berufen noch einem Bauerndorf.

Sozial seit dem Mittelalter
Im Zentrum des Dorfes befand – und befindet sich immer noch – die Kirche. Erste Nachweise über die dem Pestheiligen St. Sebastian geweihte Kapelle bestehen aus den Jahren um 1370. Ihr angegliedert war das Siechenhaus, in dem Arme und Kranke, besonders auch mit ansteckenden Krankheiten Behaftete, untergebracht waren. Zum Siechenhaus gehörte auch das Lürlibad, wo die Elenden von Masans Gelegenheit gehabt haben zu baden, ihre Wunden zu reinigen und ihre Schmerzen zu lindern. Daneben wurden aber auch Kinder und erwachsene, ledige Personen zur Verpfründung aufgenommen. Das Masanser Siechenhaus, unter der Verwaltung der Churer Bürgerschaft, wurde 1696 geschlossen. Fast hundert Jahre später wurde wahrscheinlich am selben Ort das erste Armenhaus eingerichtet, das als Vorbote des vor 14 Jahren eröffneten neuen Bürgerheims mit Alters- und Pflegeabteilung an der Cadonaustrasse gilt. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich auch das evangelisch-reformierte Alters- und Pflegeheim Masans sowie die Alterssiedlung Kantengut.
Zu frühen sozialen Einrichtungen der Bürgergemeinde gehörte die 1844 errichtete Waisenanstalt in Ober-Masans, die für bis zu 50 Zöglinge ausgelegt war. Der Institution angegliedert war ein Jahrzehnte lang florierender Landwirtschaftsbetrieb. Wegen zu grossem finanziellem Aufwand für die Sanierung des Gutes aber auch wegen personeller Probleme, beschloss der Bürgerrat 1970 schweren Herzens die Waisenhaus-Landwirtschaft aufzugeben. Ab 1978 ging auch der bestand an Kindern im Heim von Jahr zu Jahr zurück. Nach fast 150-jährigem Bestehen wurde die Institution 1988 geschlossen. Seit 1990 ist die Stiftung für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Graubünden Mieterin des Objekts, das jetzt Therapiehaus Fürstenwald heisst. Den Reigen sozialer Einrichtungen in Masans schliessen das Schulheim Chur – die Sonderschule für Kinder und Jugendliche mit körperlicher, geistiger und mehrfacher Behinderung – und das seit 1918 bestehende «Bündner Lehrlingshaus».

Die Post verschwindet
Dass Masans ein attraktives Wohnquartier ist, zeigt sich an verschiedenen neu entstandenen oder im Entstehen begriffenen Siedlungen. Das wirkt sich auch auf die Bevölkerungszahl aus, was sich vor einem Jahr in der Einweihung des neuen Schulhauses manifestierte. «Das freut uns natürlich», erklärt Carlo Mongiardini, Präsident des Quartiervereins Masans. Dem Bevölkerungszuwachs stünden aber auch ein paar negative Entwicklungen gegenüber. «Die zwei letzten Quartierläden sind verschwunden und gäbe es den Tankstellen-Shop bei der Autobahn-Ein- und Ausfahrt nicht, müssten wir alles in der Stadt einkaufen.» Am Weg ins Stadtzentrum kommen die Masanser hingegen nicht vorbei, wollen sie ab dem 30. Juni 2004 weiterhin ihre Postgeschäfte erledigen. Denn ab diesem Datum wird die Post Chur 5 bei der Kirche Masans wegen der schlechten Frequentierung aufgehoben. Für Carlo Mongiardini ist diese Massnahme nachvollziehbar, obwohl damit eine wichtige Institution aus dem Quartier verschwinde. Doch dank den jetzt besseren Busverbindungen direkt zum Postplatz könne dieser Einschnitt einigermassen wett gemacht werden.
Dass Masans noch immer einen internen Zusammenhalt hat, zeigt sich am Quartierverein, der über 330 Mitglieder zählt. Erfreulich sei auch, so Mongiardini, die Beteiligung an den Anlässen. «Jedes Jahr führen wir im Kantengut einen sehr gut belegten Kochkurs für Männer durch, der am Schlussabend in der Bekochung der Frauen gipfelt.»
Zum Kantengut hat Carlo Mongiardini eine besondere Beziehung. Drei bis vier Mal pro Woche ist er im Mahlzeitendienst tätig und beliefert jeweils rund 90 Betagte oder Behinderte in Chur und Haldenstein mit Mittagessen. Insgesamt sind im letzten Jahr aus der Kantengut-Küche 24 278 Mittagessen ausgeliefert worden.

Kutschenfahrt ab Hof
Laut dem Quartiervereinspräsidenten beginnt Masans bei der Einmündung der Kreuzgasse in die Masanserstrasse und reicht hinauf bis zum Waldhausstall. Der äusserste Eck des Quartiers bildet der Scalärahof, der einst Bestandteil der Waisenhaus-Landwirtschaft war. Seit 1972 sind Engelhard und Anita Baumgärtner auf dem Betrieb tätig und betreiben hauptsächlich Milchwirtschaft. Als Spezialität bieten die Baumgärtners auf Vorbestellung (081 353 17 96) Kutschenfahrten im bis zu zehnplätzigen Planwagen und in der vierplätzigen Kutsche an. Die Ausfahrten reichen je nach Wunsch der Gäste von der näheren Umgebung bis nach Felsberg oder Trimmis. Und wenn es unbedingt gewünscht werde, kutschiere man Gäste auch auf den Mittenberg, versichert Engelhard Baumgärtner.
Die Kutschenfahrt kann ohne weiteres auch nur bis zur Krone Masans gehen. Das über einhundertjährige Gasthaus mit einladender Sonnenterrasse, ist weit mehr als die «Quartier-Beiz» von Masans. Das gepflegte Mittelklasshotel verfügt im Untergeschoss noch über eine der wenigen Kegel-Anlagen von Chur. Fast jeden Abend treffen sich hier Mitglieder der verschiedenen einheimischen Kegelclubs und frönen ihrem geselligen Sport. Vom 15. bis 25. Juni, wenn sie in der Krone Masans ihre Jahresmeisterschaft abhalten, sind auch Churerinnen und Churer aus allen anderen Quartieren zur Teilnahme am offenen Turnier eingeladen.

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