Todesanzeigen, Horoskope und Heiratsanzeigen sind die mit Abstand beliebtesten Rubriken in den Tageszeitungen. Vielleicht deshalb, weil in ihnen im Gegensatz zu den redaktionellen Beiträgen immer etwas Wahrhaftiges vorkommt. Trotzdem sollte man auch diesen beliebten Rubriken kritisch begegnen. Etwa den Todesanzeigen, die meist mehr über die Verwandten als über den Verstorbenen aussagen. Vor allem dann, wenn diese nicht aufgeführt sind.
Viel zu reden gab eine Todesanzeige in der inzwischen selbst verblichenen ehemaligen National-Zeitung. Ein Setzer wollte die Korrektoren testen mit dem Eintrag «Die lachenden Erben» anstelle der «trauernden Hinterbliebenen».

buehler.jpg (7132 Byte)
Stefan Bühler


Sie sucht ihn

Der Setzer vergass es, die Korrektoren merkten nichts, und die Todesanzeige wurde mit den Namen aller Verwandten so gedruckt. Der Arbeitgeber setzte den Setzer an die frische Luft.
Nun, die Pressefreiheit besteht ja in erster Linie darin, Lügen zu drucken, ohne dazu gezwungen zu sein. Deshalb kommen nach den Horoskopen gleich die Heiratsanzeigen. Sie sind ein Füllhorn an Bescheidenheit und eine Quelle für Märchenliebhaber. Dabei waren es nicht die Gebrüder Grimm, welche die erste Selbstanzeige formulierten: «Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?» 100 Jahre vor den Grimms, nämlich am 19. Juli 1695, erschien die erste Heiratsannonce in einem englischen Wochenblatt. In diesem Inserat suchte «ein Herr von etwa 30 Jahren mit ansehnlichem Besitz für die Ehe eine junge Dame mit einem Vermögen von ca. 3.000 Pfund». Ein anderer hatte etwa die gleiche präzise Vorstellung, als er schrieb: «Suche Frau. Wochentags zum Arbeiten, Wochenende zum Vergnügen».
Vergnügen bereitet es auf jeden Fall, die heutigen Annoncen zu lesen. Die NZZ etwa vom 19. Juni 2004 hat wie meist am Wochenende die schönsten Formulierungen parat. Ein paar Kostproben: «Faltenfreies Herz sucht Pendant, um den weiteren Lebensweg gemeinsam zu gehen». Und weiter sagt das Herz über sich: «Ich schlage im Körper einer Fünfzigjährigen …», dabei lässt es offen, ob es geliftet ist oder sich selbst entfaltet hat. Da verblasst die «feinfühlige Stierfrau», die «zierliche Erscheinung auf der Suche nach Schmetterlingen» genau so wie die geistig und körperlich Bewegliche, die es über die Nase probiert: «Wir sollten uns beschnuppern», schlägt sie vor. In der gleichen Ausgabe sucht eine «vorzeigbaren Witwe» einen Herr bis 80 Jahre alt, leichte Behinderung kein Hindernis. Übrigens möchte das faltenfreie Herz, dass «wir uns in die Arme nehmen und die Nähe auskosten». Dienlich wäre auf jeden Fall eine Zeichnung mit Gebrauchsanweisung.
Diese Anzeigen sind zweifellos von höherem literarischem Stellenwert als die Kürzestformulierung: «Einsamer sucht Einsame zum Einsamen». Keine Füllwörter, kein Schmus, keine Romantik. Wäre die heutige Kontaktsuche in der Disko das Mass für die Inserate, das Lesen lohnte sich nicht mehr. «Glaubst Du an die Liebe auf den ersten Blick oder soll ich noch mal vorbeigehen?» ist nur ein Beispiel heutiger SMS-tauglicher Kurzvarianten, die für Annoncen untauglich bleiben.
Auch seriöse Heiratsanzeigen bemühen manchmal ein schiefes Bild. «Miststück sucht Bauerntölpel», stand etwa zu lesen. Vermutlich führt Ehrlichkeit am ehesten zum Erfolg: «Du musst nicht unbedingt jung sein. Du musst nicht unbedingt schön sein. Du musst nicht unbedingt reich sein. Hauptsache, Du bist Millionärin». Das schreibt einer, der über sich selbst sagt: «Früher war ich eitel, heute weiss ich, dass ich schön bin». Auch das gehört in die Kategorie der leichten Fälle. Ganz im Gegensatz zur folgenden, hoffnungslosen Anzeige: «Psychoanalytiker sucht Frau, die ihn versteht». Wer wünscht sich das nicht?

Stefan Bühler

zurück