Ob eingebettet oder eingebildet – die Journalisten bekommen endlich Konkurrenz. Der neue Beruf heisst Blogger. Ein Kunstwort zwar, zusammengesetzt aus Web und Logbuch. Es sind die Blogger, welche die Wahrheit ans Tageslicht bringen. Sie durchkämmen das Internet, überprüfen Meldungen, schliessen sich kurz und entlarven so manchen Irrtum. In den Weblogs findet man heute alles, was man immer schon gerne überprüft haben wollte. Was Blogger produzieren ist vergleichbar mit Pamphleten des 18. und 19. Jahrhunderts.

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Stefan Bühler


Irrtum

Ein prominentes Opfer der Blogger ist der investigative CBS-Fernseh­journalist Dan Rather, der einen fehlerhaften Bericht über George W. Bush sendete und vom Sockel stürzte. Die Blogger überprüften die publizierten Dokumente und stellten schnell fest, dass sie gefälscht waren. Hätte es die Blogger schon früher gegeben, wären die angeblichen Hitler-Tagebücher im Stern schon nach der ersten Folge abgesetzt worden.

Wer heute an die Öffentlichkeit geht, darf sich gar nicht mehr irren, sonst verfängt er sich im Netz der Blogger. «Irren ist menschlich. Aber wenn man richtig Mist bauen will, braucht man einen Computer», meinte derselbe Dan Rather.

«Es irrt der Mensch, so lang er strebt», wusste Goethe und blieb in dieser Meinung sehr konsequent: «Wir irrten uns aneinander, es war eine schöne Zeit.» Aber eben, trotzdem ein Irrtum. Errare humanum est, oder auf Deutsch: Irren ist männlich.

Das gilt auch für die Verwendung falscher Zitate zu falscher Zeit. Des Chefredaktors Titel zum Frontkommentar «In dubio pro rex» kann man noch verzeihen, schliesslich merkt jeder, dass hier nicht ein TV-Polizeihund und noch weniger ein König gemeint sein sollte. Das einzige Zitat, das kaum je falsch eingesetzt wird, ist das «Quo vadis» ganzer Heerscharen von Leserbriefschreibern, die sich damit als Lateinkenner outen. Aber sogar hier gelingt der falsche Einsatz. Etwa beim Titel «Quo vadis Bierselig­keit?» Als ob man nach der Selig­machung durch Bier noch gehen könnte. Und das ist in diesem Zusammenhang noch lange nicht der einzige Irrtum. Es irrt auch der Gast, der meint, das deutsche Reinheitsgebot für Bier gelte auch für die Gläser in unseren Restaurants.

Aus der Geschichte wissen wir zweierlei: Die katholische Kirche irrt nie und die Erde ist eine Scheibe. Das glauben auch heute noch viele Amerikaner und gemäss einer Umfrage wusste nur etwa die Hälfte der Befragten, dass die Erde 1 Jahr benötigt, um die Sonne zu umkreisen. Solange die Erde eine Scheibe ist, geht uns die andere Seite aber gar nichts an.

Galileo Galilei wurde im Jahre 1633 von der Inquisition gezwungen, dem kopernikanischen Weltbild abzuschwören, nach dem die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht. «Eppur si muove» soll er beim Verlassen des Gerichtssaals noch gesagt haben, gehört hat das aber niemand richtig, sonst wäre er auf dem Scheiterhaufen und nicht im Hausarrest gelandet. Papst Johannes Paul II erklärte sich dann im Jahre 1992 bereit, ihn zu rehabilitieren, weil Galilei offenbar ungerecht behandelt worden war.

Die eine Hälfte der Amerikaner irrt, weil sie Bush wieder wählt, und die andere, weil sie Kerry wählt. Für einmal wäre es kein Irrtum, wenn keine an die Urne ginge.

Ach, dass der Mensch so häufig irrt, und nie recht weiss, was kommen wird. Das galt auch für das Länderspiel Portugal gegen Liechtenstein, bei dem die in Bad Ragaz verwöhnte Scolari-Truppe dem Fussball­zwerg ein Unentschieden abtrotzte. Der Irrtum bestand aber darin, dass ein defektes Gerät für die Ton- und Bildausfälle des Landeskanals verantwortlich war. Ein Gerät, das einen Tag vor dem Spiel installiert worden war und wenigstens den Test bestanden hatte. Im Gegensatz zu den Portugiesen, die sowohl beim Test wie im Ernstfall strauchelten. Genau so wie der Irrläufer der TV-Produktionsfirma, der die falsche Landeshymne einspielte. Wer kann’s ihm verargen, auch wir irren durch den Text beim Singen unserer eigenen Landeshymne.

Irrtum, sprach der Igel und stieg vom Kaktus. Ein gutes Beispiel dafür, dass nur die Einsicht weiterhilft.



Stefan Bühler

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