Da steht man also wieder einmal in der falschen Schlange vor dem Schalter. Bei allen andern geht es schneller vorwärts. Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, entscheiden sich die meisten für die falsche. Ausser in der Rekrutenschule. Erhält man zwei Befehle, die sich widersprechen, befolgt man am besten beide.
Im ordentlichen Leben geht das halt nicht so einfach. Die Erfahrung ist noch immer der beste Lehrmeister, und so wissen wir, wenn es stinkt, ist es Chemie, wenn es nicht funktioniert, Physik, und wenn wir es nicht verstehen, Mathematik. Wenn es grün ist, dann ist es Biologie, ist es unlogisch, muss es Philosophie sein, und wenn es vor Halbwahrheiten strotzt, ist es Statistik.

buehler.jpg (7132 Byte)
Stefan Bühler


Naturgesetz

Wenn aber alles falsch läuft, dann ist das Gesetz. Und zwar Murphys Gesetz, das Folgendes besagt: Alles, was schief gehen kann, geht schief. Daraus folgert dann etwa der Leitsatz: Willst Du ein Darlehen bekommen, musst du zuerst beweisen, dass du keines brauchst.
Die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes war recht trivial: 1949 entwickelte US Air Force Captain Edward A. Murphy einen Messwandler, der misst, wie viel Beschleunigung der menschliche Körper aushalten kann. Bei den Testpiloten wurden 16 Sensoren für Messzwecke angebracht. Ein Techniker schaffte es, alle Sensoren, die man auf zwei Arten anschliessen konnte, verkehrt zu montieren. So formulierte Ed Mur¬phy die ursprüngliche Form des Murphy-Gesetzes: Wenn es zwei oder mehrere Wege gibt, etwas zu erledigen, und einer davon kann in einer Katastrophe enden, so wird jemand diesen Weg wählen. Murphy ist heute 87jährig, falls er noch lebt. Im Alltag ist er so lebendig wie kaum ein anderer. Etwa in der Autokolonne, wo man selbst dann in der falschen Reihe fährt, wenn man vorher fünf¬-mal die Kolonne gewechselt hat.
Zu Murphys Gesetz gibt es zahlreiche Varianten und sogar Steigerungen. Eine davon wurde mit dem Churer Baugesetz aufgestellt, vermutlich geht diese als Tremp’s Gesetz in die Geschichte ein: «Alles geht auf einmal schief.» Und das immer genau dann, wenn man es am wenigsten braucht. Dabei ist nichts so schlecht, dass es nicht noch schlechter gemacht werden kann. Für Behörden gibt es sowieso einen eigenen Murphy: «Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es in dreifacher Ausführung schief...»
Radfahrer kennen ebenfalls ihren eigenen Murphy: Ganz egal, welchen Weg du nimmst, es geht immer aufwärts und gegen den Wind. Sollte es auf dem Rückweg wirklich bergab gehen, hast du einen Platten oder einen anderen irreparablen Defekt. Dafür wird es regnen.
Murphy gibt es auch fürs tägliche Leben, etwa mit dem Kennsatz: «Wenn man einmal Mist gebaut hat, wird alles nur noch schlimmer, wenn man versucht, es wieder in Ordnung zu bringen.» Jedes Mal, wenn du deine Fingernägel geschnitten hast, könntest du sie eine Stunde später brauchen.
Was kann man daraus folgern? Jede Lösung bringt mindestens zwei neue Probleme, die man falsch anpacken kann. So weiss man nach der Miss Schweiz-Wahl einmal mehr, dass Schönheit nur oberflächlich ist. Dafür geht Hässlichkeit durch und durch.
Nach dem Kauf der Digitalkamera etwa wird eindrücklich die Folgerung von Murphy bestätigt: Wenn etwas einfach aussieht, ist es schwierig. Wenn etwas schwierig aussieht, ist es unmöglich. Wenn etwas unmöglich aussah, wird sich im Nachhinein rausstellen, dass es ganz einfach gewesen wäre. Dann ist die Kamera meist schon kaputt. Die besten Schnapp¬¬-schüsse ergeben sich gemäss Murphy sowieso dann, wenn der Speicher voll ist, die zweitbesten scheitern am Objek¬tivdeckel.
Wenn es scheint, als wenn alles gut verlaufen wäre, so hat man nur irgend etwas übersehen. Wer diesen Satz verinnerlicht, bewältigt den Alltag am besten.

Stefan Bühler

zurück