Wenn dann im Januar die Geschäfte wieder öffnen, beginnt die zweite Weihnacht. Was noch vor kurzem unter dem Tannenbaum lag, wird zum Umtauschen gebracht, während die Dekorateure bereits den Ausverkauf vorbereiten, die Schaufenster auf Fasnacht trimmen und die ersten Osterhasen anhoppeln lassen.
Aber vorerst wird zurückgebracht, was man eh nicht brauchen kann. Und das ist die Mehrheit der Geschenke. Man könnte dem natürlich vorbeugen mit einem interfamiliären Nichtangriffspakt vor Weihnachten. Das Risiko ist dann allerdings gross, dass sich einer daran hält und wirklich keine Geschenke bringt. Spätestens dann ist klar, dass man zuerst kein Glück hat und dann noch Pech dazu kommt.

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Stefan Bühler


Wunschliste

Warum gibt es den guten Brauch der Geschenkliste eigentlich nicht mehr? Einige Wünsche für das neue Jahr haben wir zusammengestellt, werden sie erfüllt, geben wir sie bestimmt nicht am Umtauschschalter ab. Zum Bespiel den sehnlichst erwarteten Schnee. Natürlich sagt die Bauernregel: «Wenn’s zu Silvester stürmt und schneit, is’ neue Jahr nicht mehr weit, kommt dann der Januar noch vor dem Februar, wird das Jahr, wie’s immer war.» So weit, so gut, das ist aber schon wieder Schnee von morgen. Den wir uns schon viel früher auch ausserhalb der drei Churer Museen gewünscht hätten. Dazu müsste dann auch die Dosierung stimmen. Skifahrer sollten den Schnee und nicht der Schnee die Skifahrer unter sich spüren.
Jetzt, wo die Tage schon wieder etwas länger sind, werden auch die depressiven Stimmungen kürzer. Obwohl wir es in unseren Breitengraden noch gut haben. In Helsinki ist das anders. Da fragen sich die Leute am nächsten Tag, was sie in der Nacht vom 13. November bis zum 4. Februar so alles gemacht haben. Die meisten haben ihren Wunschzettel geschrieben. Wir auch. Im Bewusstsein, dass sie eh nicht in Erfüllung gehen.
So wünschen wir uns von den Politikern mehr Eiszeit auf der Quader und weniger in der Kulturpolitik. Im Fernsehen wünschen wir die tägliche Wiederholung der zweiten Staffel «Leben wie zu Gotthelfs Zeiten» im Sahlenweidli, damit jedermann endlich begreift, wie schön es früher war, und dass es ein Fernsehleben nach dem Ende von Sex and the City gibt.
Mehr Schiesslärm auf dem Rossboden müssen wir uns nicht wünschen, den bekommen wir ohnehin. Als Ergänzung zu den 130 Schiessanlagen über 300 m und 230 Jagd-, Pistolen- und Wurftaubenanlagen im Kanton der 150 Echos. Übertönt wird er hoffentlich noch durch die Proteste gegen den Arbeitsplatz-Transfer in unsere Nachbarkantone. Dieses nachbarschaftliche Freudespenden gehört jetzt zum schlechten Ton. Die Engadiner lassen ihren Kehricht lieber im Glarnerland statt in Trimmis verbrennen, Zeitungen lässt man im St. Galler Rheintal drucken, Gemeinden verlegen die Produktion ihrer Chronik nach Mels und das Militär steht dem nicht nach, es geht gleich mit der ganzen Logistik ins Sarganserland. Gegengeschäfte sind nicht zu erkennen, abgesehen vom einstigen Transfer eines Stadtschreibers von St. Gallen nach Chur ohne Rücknahmeverpflichtung.
So wünschen wir uns für das kommende Jahr Festredner, die sich an das Manuskript halten («Es gilt das gebrochene Wort») und aufhören, das hohe Lied vom Zusammenhalt zu singen. Eigentlich könnten wir die Wunschliste auf einen einzigen Punkt reduzieren: Das kommende Jahr soll besser werden als das vergangene. Dafür sorgt keine Wunschliste, das müssen wir schon selbst an die Hand nehmen.

Stefan Bühler

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