Wem können wir mehr Glauben schenken, der Astrologin Elizabeth Tessier oder einem thailändischen Elefanten? Keine Frage, nicht erst seit dem Seebeben in Asien wissen wir, dass prognostizierende Menschen mehr Stuss produzieren als Elefanten Dung. Die Tiere auf den Inseln und an den Küsten haben vorher gewusst, was auf sie zukommt und rechtzeitig die Flucht ergriffen. Uns Daheimgebliebenen bleibt nur die Flucht vor der Alltags-Tsunami Tessier, die ausgerechnet für die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr nur das Beste vorhersehen wollte. Wenn sie Prognosen abgibt, ist sogar das Gegenteil falsch, weil nichts Genaues weiss man nicht.

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Stefan Bühler


Wahre Lügen

Die Astrologin sollte sich bei den Muotathaler Wetterpropheten eine Scheibe abschneiden, etwa bei Benny Wagner, der für den Winter 2005 folgendes voraussah: «Ein schöner angenehmer Winter oberhalb 1'100 m, die Skifahrer können eine Saisonkarte kaufen.» Dabei kann es sich nur um jene Saisonkarte handeln, welche die Winterwanderung auf schneefreiem Gelände auf die Diavolezza ermöglicht. Der Muotathaler Martin Horat ist schon etwas genauer: «Der Vorwinter ist eher wie in Südafrika, dafür gibt's nachher zum Teil riesige Schneemengen. Einen frühen Frühling können wir vergessen.»
Was die astrologische Lügenbarone nicht alles für das letzte Jahr vorausgesagt haben: Der deutsche Bundeskanzler ist zurückgetreten, Präsident Bush bei einem Attentat umgekommen, Michael Jackson hat Selbstmord begangen und Los Angeles wurde durch einen Asteroiden-Einschlag total zerstört. Nur ein Seebeben – das hat niemand vorausgesehen, ausser eben Wasserbüffel und Elefanten, die nie eine Chance haben, aufs Titelbild der Schweizer Illustrierten zu kommen wie Tessier und andere Scharlatane. Der griechische Chronist Siculus berichtet 373 v. Chr., dass Ratten, Schlangen und Wiesel die Hafenstadt Helike bei Korinth fluchtartig verliessen, bevor diese nach einem Seebeben im Meer versank. Statt auf die Ratten zu hören verlassen sich viele auf die modernen Rattenfänger, die sich in den Horoskopen tummeln.
Besser macht es die Wahrsagerin Ulrica in Verdis Maskenball, die König Gustav richtig prophezeit, dass er zu Tode kommen wird durch die erste Hand, die er nach der Wahrsagung drücken wird.

Mit dem Orakel von Delphi war das nicht anders. Die damalige Wahrsagerkunst hiess Mantik, die Menschen empfingen in Ekstase oder Trance das Wissen von den Göttern. Oder bezogen es von toten und lebenden Tieren. Homer erwähnt das in der Ilias und der Odyssee. Die Leberschau eignete sich damals wie heute vorzüglich. Eine gut erzogene Leber applaudiert schon, wenn das zweite Weinglas auf den Tisch kommt, seit die neue Promillegrenze für Autofahrer eingeführt wurde.
Was soll man sich noch wünschen am Anfang eines neuen Jahres, wenn auf die Propheten kein Verlass mehr ist? Jetzt, wo Michael Jackson noch teilweise lebt und Schröder weiterkanzlert, könnte ja wieder der ganz einfache Wunsch nach mehr Menschlichkeit und mehr Frieden aufkommen.
Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass uns die Astrologen auch weiterhin für blöd halten oder dann jene todsicheren Prognosen abgeben, die meist stimmen. So nach dem Motto: Zeige mir Deinen Pass und ich sage Dir, wie Du heisst. Mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit sagte der Wahrsager zu Adolf Hitler: «Führer, du wirst an einem jüdischen Feiertag sterben.» Hitler: «An welchem denn?» Wahrsager: «Jeder Tag, an dem du stirbst, wird ein jüdischer Feiertag sein!»


Stefan Bühler


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