foto: Stefan Buehler
Stefan Bühler

Jugendwahn

Dass die neuste Falte gar keine Lachfalte mehr ist, merkt man dann, wenn einem das Lachen vergeht. Und die Falte bleibt. Was tun dagegen, wenn wir älter werden und merken, dass wir nicht mehr die alten sind? Ein wenig nachhelfen kann man eigentlich immer. So ist es wichtig, dass man immer ein Jugendbild bei sich trägt für den Notfall. Dieser tritt zum Beispiel im Falle des Todes ein, wenn im Gedenken an die lieben Verstorbenen ein Foto publiziert wird, das noch von Salzborn mit der camera obscura aufgenommen wurde. Dieselbe Fotografie stand schon bei jeder Party auf der Einladungskarte. Die Geburtstagsfeiern im vorgerückten Alter ähneln zwar schon Bestattungsgratulationen am offenen Grab, während der Patient noch zappelt, Hauptsache, das Bild passt.

Nie sollte man bei den Frauen den Geburtstag vergessen, immer aber ihr Alter.

Kürzlich liessen sich die ehemaligen Standespräsidenten vor dem Parlamentsgebäude ablichten, die meisten sahen blendend aus. Was muss man also tun, um möglichst alt zu werden? Nicht zu viel.

Roger Schawinski hat seinen 60. Geburtstag gefeiert, entweder ist er alt geworden oder sentimental. Auf jeden Fall hat er seine beiden Ex-Frauen und die aktuelle um sich gehabt und sich gar nicht alt gefühlt. Zwar muss er sich jetzt mit der Zahl Sechs/Null abfinden, ihm passt das aber immer noch besser als umgekehrt: Null Sex. Etwas abgeklärter wirkt er schon, der Roschee als 60-jähriger. Junge Männer möchten treu sein, und sind es nicht. Alte Männer möchten untreu sein und können es nicht. Who cares – Schawinski ist zeitlos.

Was nicht für seine Moderatoren beim Sender SAT 1 gilt. Dieser hat Fritz Egner (55) rausgeschmissen und der Jugendwahn im TV hat sein nächstes Opfer.

Jetzt muss er warten, bis er so alt ist wie Johannes Heesters, der im Dezember 102-jährig wird. Ab 100 darf man im deutschen Fernsehen wieder auftreten, sicherheitshalber nicht live. Obwohl auch für diese Operettenauftritte die Unschuldsvermutung gilt und man davon ausgehen muss, dass sich Heesters die Frage, ob es ein Leben vor dem Tod gibt, nicht mehr ernsthaft stellt.

Wäre Fritz Egner Kunde bei der Kantonalbank, hätte er neben dem blauen Brief von Schawinski auch noch einen freundlicheren von der GKB erhalten. Diese pflegt den 55-jährigen zu gratulieren und schickt ihnen als Geschenk einen Gutschein für einen Kurs bei der Seniorenakademie. Die Geehrten wissen nicht so recht, ob die Kantonalbank das als Marketingmassnahme verstanden haben will oder als Aufforderung, das Konto langsam zu saldieren, bevor es der Nachlassverwalter tut.

Dabei gäbe es so einfache Rezepte, um jung und schön zu bleiben. «Erröten macht die Hässlichen so schön», heisst es in Lessings Schauspiel Nathan der Weise. Falls ein einfacher Sonnenbrand nicht genügen sollte, können wir uns immer noch an den Faust wenden. «Dich zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel», sagt Mephistopheles zu ihm. Davon will Faust nichts wissen, wohl aber vom Verjüngungstrank aus berufener Hexenhand. Wenn man den Spiegel fragt: «Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?», und der antwortet: «Tritt zur Seite, sonst kann ich nichts sehen», ist es meist zu spät.

Trost gibt jene Plakatkampagne, die in grossen Lettern fragt: «Sie haben Angst vor dem Alter?» Und darunter: «Ein 30-jähriger in der Dritten Welt würde sich freuen». Ländlerkönig Hans Fischer sen. hinterliess uns seine Weisheit: «Wenn sich auch die Arschbacken falten, wir bleiben stets die Alten!»

Stefan Bühler

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