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Stefan Bühler

Vom Bären

Bald beginnt die Jagd und die Artenvielfalt war noch nie so gross. Vorbei die Zeiten, wo man noch auf Kinderwagen, Heumäher und Kühe schiessen musste. Mit dem Auftauchen von Luchs, Wolf und Bär stehen valable Alternativen zur Auswahl.

Sinnigerweise wurde der letzte Bär am 1. September 1904 im Val S-carl erlegt und dann im Jahre 1962 unter Schutz gestellt. Wenn in den letzten 43 Jahren kein Bär geschossen wurde, haben wir dies also weniger dem Schutz zu verdanken als vielmehr der Tatsache, dass es gar keine mehr gab.

Unsere Jäger konnten bestenfalls den Daheimgebliebenen einen Bären aufbinden. Man nennt das auch Jägerlatein. Treffender formulierte es der erste Reichskanzler des Deutschen Reiches, Otto von Bismarck: "Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd."

Jäger und andere Lügner sind demnach gut beraten, wenn sie schon eine Ausrede parat haben. Könnte ja sein, dass einer plötzlich dem Münstertaler Bären begegnet, ihn für ein aufgeblasenes Murmeltier hält und abdrückt. Ab 9. September wird schliesslich zurück geschossen. Oder er könnte zum Beispiel Präsident des Bündner Kantonalen Patentjägerverbandes sein und am ersten Jagdtag übers Handy zu den Radiohörern sprechen. (Für Nichtjäger: Handys sind auf der Jagd nicht erlaubt).

Weitere Ausreden waren fällig in Parpan, wo einer auf die Jochstrasse ballerte, auf welcher sich gerade sonntägliche Spaziergänger befanden. Ein anderer, der bei Malix einen Rehbock verfehlte, nahm die umliegenden Ferienhäuser ins Visier, die in ihrer Gutmütigkeit wenigstens nicht die Flucht ergriffen. In Scuol verwechselte ein weiterer eine Balkontüre mit dem Wild, dabei stellte er noch lange nicht den Rekord an temporärer Erblindung auf. Dieser hält jener Bündner Nimrode, dem es gelang, mit einem einzigen Schuss zwei Tiere zu erlegen. Dass es sich dabei nicht wie erhofft um zwei Hirschkühe handelte, sondern um zwei Haflingerpferde, lässt die Geschichte vom aufgeblasenen Murmeltier wieder glaubwürdiger erscheinen.

Ob Wolf, Luchs oder Bär, jemand wird sich schon berufen fühlen, die Touristen vor diesen Bestien zu schützen. Spätestens dann, wenn der erste Bärenpaparazzi gefressen wird, beginnt das Halali auf - ja, wie heisst er denn nun eigentlich, der Italiener, der ins Münstertaler einwanderte? Zum Glück haben wir den "Blick", bei dessen Bärentaufe-Aktion über 600 Namensvorschläge eingegangen sind. Unser Favorit "Adolf Yogi" hat leider keine Chance, da auf der nach unten offenen Blödheitsskala noch weiteres Gefälle möglich ist.

Das Münstertaler Taufkind jagt zurzeit ohne Patent, da sind nicht einmal die Yaks von Reinhold Messner mehr sicher, geschweige denn ein Kalb oder ein Schaf. Schon etwas eigenartig, dass sich überhaupt jemand darüber aufregt, wenn ein vierbeiniger Jäger auf die Jagd geht, während 5000 zweibeinige dies als ihr gutes Recht empfinden. Wir freuen uns ja auch auf das Wildbret, und gegen ein Wiener Schnitzel haben wir gar nichts einzuwenden. Überhaupt müsste der Verkehrsverein Münstertal jeden Tag ein Schaf für seinen Bären bereit halten. Letzterer füllt nämlich die Hotelbetten besser ab als ersterer. Und im Sinne des Steuerzahlers wäre das auch noch. Aufgrund unserer landwirtschaftlichen Subventionspolitik kostet ein totes Schaf weniger als ein lebendiges.

Ein Tierparkdirektor wurde gefragt, wie er es schafft, dass Löwe und Ziege in einem Käfig zusammenleben. "Ganz einfach, wir stecken jeden Tag eine neue Ziege rein." Nach diesem Rezept könnte man erreichen, dass die Jäger keinen Grund zum Abschuss des Bären haben. Natürlich sollte man dazu Schafe verwenden und nicht Touristen.

Stefan Bühler

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