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Stefan Bühler

Zitate

Nach einer Theateraufführung von Goethes Faust wird eine Dame gefragt, wie ihr das Stück gefallen hat: «Ach wissen Sie, es war eigentlich sehr schön, nur leider so schrecklich voll gespickt mit Zitaten.» Dabei wäre die Welt ein gutes Stück ärmer, gäbe es die Zitate nicht.

«Um sein Ziel zu erreichen, zitiert selbst der Teufel aus der Bibel » (William Shakespeare). Und nicht nur der. Unvorstellbar, dass heute ein Redner zitatelos redet. Beim letzten Wirtschaftsforum an der Churer Gehla eilte dem Messeleiter Köbi Gross der Schweizer Schriftsteller Denis de Rougemont zu Hilfe; Alois Vinzens, CEO der GKB, wurde assistiert von George Bernard Shaw und ETH-Professor Roman Boutellier kolportierte den österreichischen Managementguru Peter F. Drucker. Dank diesen Zitatespendern wissen wir nun, wann der Niedergang beginnt, wo die besten Reformer sind, und dass wir nicht ständig grösser, sondern immer besser werden müssen. «Da steh' ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug, als wie zuvor», möchte man den Faust zitieren.

Einfacher ist es, sich selbst zu zitieren. Das hat etwa der ehemalige Churer Stadtschreiber mit seinen Selbstgesprächen auf dem Weg zur Arbeit beherzigt: «Bevor ich ins Büro komme, muss ich noch mit dem einzig vernünftigen Menschen in der Stadtverwaltung ein paar Worte wechseln», so seine Begründung. Schliesslich bist du ein gar Niemand, solange dich keiner zitiert.

«Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest.» Die Autorin dieses Zitates wurde wenigstens einmal zitiert, nämlich von ihrem Gatten zu einer Aussprache.

Die schönste Form der Niedertracht ist die Konfrontation mit der Vergangenheit mittels Zitaten. Dagegen hat Konrad Adenauer vorgesorgt, als er sagte (Zitat): «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?» Nicht so Thomas Watson, IBM-Vorsitzender im Jahre 1943: «Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt». Die Welt wäre jedenfalls sicherer. «Louis Pasteurs Theorie von Bazillen ist lächerliche Fiktion», meinte Pierre Pachet, Professor der Physiologie in Toulouse, 1872. Heute verseuchen diese unsere Computer, von denen Ken Olson, Präsident und Gründer von DEC, im Jahre 1977 sagte: «Es gibt keinen Grund, warum irgend jemand einen Computer in seinem Haus wollen würde. » Von der Western Union wurde 1876 sogar gesagt: «Das ‹Telefon› hat zu viele ernsthaft zu bedenkende Mängel für ein Kommunikationsmittel. Das Gerät ist von Natur aus von keinem Wert für uns.»

«Wer zur Hölle will Schauspieler reden hören?», fragte 1972 H.M. Warner von Warner Brothers. Aus heutiger Sicht müsste man fragen: «Wer zum Teufel will sie stöhnen hören?» Decca Recording begründete 1962 die Rückweisung der Beatles wie folgt: «Wir mögen nicht deren Geräusche, und Gitarrenmusik ist am Aussterben».

Aber «warum auch in die Ferne schweifen», wo wir doch vor der Haustüre Zitate etwa eines Verlegerpräsidenten haben? «Irgendwann hätte hier an der Churer Kasernenstrasse das Schicksal Calanda Bräu eingeschlagen, wenn wir uns nicht selbst gesagt hätten, wir übernehmen eine Führungsrolle im regionalen Tageszeitungsgeschäft. » Bekanntlich besteht das «Schicksal Calanda Bräu» darin, dass inzwischen Millionen an der Kasernenstrasse investiert wurden. Zudem hat dessen «Führungsrolle» nicht dazu geführt, dass die Produktion in den Nachbarkanton ausgelagert werden muss.

«Es irrt der Mensch, solang' er strebt.» Goethe sei Dank, wenigstens er hat Recht.

Stefan Bühler

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