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Stefan Bühler

Demokratur

«Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen.» Als der britische Premierminister Winston Churchill das Problem mit den Staatsformen auf den Punkt brachte, wusste er noch nichts von demokratischer Entscheidungsfindung in der Ferien- und Freizeitbranche. Im Wissen um basisdemokratische Verhandlungen in der Region Heidiland, vom Walensee bis nach Thusis, hätte er bestimmt den Nachsatz ganz weggelassen. Vermutlich eignen sich nämlich alle anderen Staatsformen besser als die hochgelobte Demokratie, wenn es darum geht, in einem heiss umstrittenen Markt schnell, effizient und zielstrebig Entscheidungen herbeizuführen.

Das Geld liegt auf der Strasse, man muss nur genug zum Fenster hinauswerfen. Zumindest denken das jene, die auf der Strasse stehen und nach oben schauen. Demokratisch heisst, nach dem föderalistischen Prinzip Manna verteilen. Wer hat, dem wird gegeben. Wer viele Vereine, viele Vorstände, viele Sitzungen und viele unabhängige Bergbahnen hat, dem wird viel gegeben. Solange vorhanden.

Doch jetzt wird alles ganz anders. Schluss mit Basisdemokratie, die Richtung wird vorgegeben. Die Macht der real existierenden leeren Kassen lässt gar keine anderen Möglichkeiten zu, Konzentration auf das Wesentliche heisst die Devise. Die Kantone St. Gallen und Graubünden haben zwar verschiedene Ansichten, wie man den Tourismus fördern kann, eines aber gilt für beide. Das Geld fehlt, um in überholte Strukturen zu investieren. Die logische Folge davon wäre, dass sich die Ferienregion Heidiland, Freizeit Graubünden, die Bündner Herrschaft und auch das Churer Rheintal zu einer schlagkräftigen Organisation finden würden. Um als Vorbild für künftige Destinationen zu gelten und entsprechende Unterstützung von oben zu erhalten. Das Gegenteil ist eingetreten, der Scherbenhaufen ziemlich komplett.

Die touristischen Strukturen der Bündner Herrschaft sind zerstört, die Fusion der Ferienregion Heidiland mit Freizeit Graubünden AG geplatzt, Freizeit Graubünden wird nächstes Jahr gar aufgelöst. Die Geschichte der Bergbahnen im St. Galler Oberland wiederholt sich in krasserer Form. Auf dass ein jeder wieder schmalbrüstig vor sich hinwerkelt, während andere Regionen massiv aufrüsten. «Lieber allein, als gemeinsam einsam», so wie der Titel des Liedermachers Hené einst hiess.

Dabei lässt sich die Entwicklung nicht mehr aufhalten. Die Churer Stimmbürger etwa haben Freizeit Graubünden einen Jahresbeitrag von Fr. 300 000.– zugesichert, nächstes Jahr läuft die Vereinbarung aus. Wird die Stadt bereit sein, einem reduzierten Team, das in der Bahnhofunterführung künftig als Auskunftsstation, Busbillettverkäufer und Stadtrundgang-Organisator dient, die ursprüngliche Aufgaben wie das Marketing wieder zuzuweisen? Wird es in der Bündner Herrschaft überhaupt noch einmal eine Tourismusförderung geben? Muss Bad Ragaz Tourismus die bisherige Zusammenarbeit mit der erweiterten Region einstellen? Alles deutet auf einen Rückschritt zu ehemals dezentralen Strukturen hin, die aus zwei Gründen zum Scheitern verurteilt sein werden: Erstens, weil die Öffentliche Hand hier nicht mehr mitmachen kann und will, und zweitens, weil im heutigen Wettbewerb solche Strukturen nicht mehr bewirken können.

Der Kanton Graubünden wird künftig noch fünf Destinationen fördern, der Kanton St. Gallen fordert nicht weniger eine Konzentration der lokalen Kräfte. Die Region Alpenarena hat vorweggenommen, was anderen bald einmal aufgezwungen wird: Die öffentliche Hand und deren Vertreter sind auf ihre wirkliche Bedeutung reduziert worden. Oder anders gesagt: wer nichts versteht, soll auch nicht mitreden. Man nennt das auch Demokratur. Offenbar verspricht diese Form mehr Erfolg.

Stefan Bühler

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