| Die Oper "Zauberberg" feiert Uraufführung  Am Donnerstag, 26. September, wird Chur und die ganze Welt um ein 
        Kulturgut reicher. Zur Uraufführung gelangt im Stadttheater die Oper "Zauberberg" 
        nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann. Hinter dem Werk steht in 
        erster Linie der Musiker und Komponist Robert Grossmann, der in fast zehnjähriger 
        Arbeit das "herausragendste literarische Werk des 20. Jahrhunderts" in 
        zwei Akte mit je sechs Klangbildszenarien umgewandelt hat.   Text: Walter Schmid
 Die Verstimmung der Davoser Bevölkerung war gründlich und hielt lange 
        an, als im September 1924 der Roman "Der Zauberberg" von Thomas Mann erschien. 
        Denn das 1000-seitige Werk mit seinen nicht allzu positiven Schilderungen 
        des Sanatorienlebens kratzte am ausgezeichneten Ruf des bekannten Luftkurortes. 
        Dabei wurde und wird immer noch oft übersehen, dass im "Zauberberg" vieles 
        erfunden ist und das Werk, wie Thomas Mann selbst beteuerte, "wohl nur 
        ganz nebenbei als Davos-Roman gelesen werden darf". Nichts desto trotz: 
        Davos weiss sich seit 78 Jahren in der Weltliteratur vertreten und ab 
        dem 26. September 2002 auch auf der Opernbühne.
 Die Idee entstand im LiegestuhlDie "Schuld" daran trägt der Musiker und Komponist Robert Grossmann, schweizerisch-amerikanischer 
        Doppelbürger, wohnhaft im Domleschg. Vor 14 Jahren - damals unterrichtete 
        er an der Musikschule Oberengadin - weilte er, wie jedes Wochenende, in 
        Davos. Seine Frau arbeitete in einer Höhenklinik, einem ehemaligen Sanatorium. 
        Auf dem Balkon des Zimmers im obersten Stock liess sich Robert Grossmann 
        im Liegestuhl nieder und vertiefte sich in den Roman "Der Zauberberg" 
        von Thomas Mann. Umgeben von der Kulisse, wie jene des "Internationalen 
        Sanatoriums Berghof" in Manns Geschichte, entstand bei Grossmann die Idee, 
        aus dem Lesestoff eine Oper zu schaffen. "Der Roman enthält viele Themen, 
        die immer wieder in Opern zu finden sind, wie Liebe, Hass, Krankheit und 
        Tod", erklärt Grossmann. "Mir wurde immer bewusster, dass sich die im 
        Buch stark gezeichneten Personen, die Beziehungen untereinander und die 
        Entwicklung der Hauptfigur Hans Castorp ausgezeichnet für ein Musiktheater 
        eignen würden. Dazu kam, dass die Musik im Roman ein wichtiges und durchgehendes 
        Thema ist." Überzeugt von seiner Idee suchte Grossmann via die Thomas 
        Mann-Gesellschaft einen Librettisten. Damit nahm eine zehnjährige schöpferische 
        aber auch organisatorische Arbeit für die Oper ihren Anfang.
 Dem Roman treu gebliebenVor rund drei Jahren konkretisierte sich das Projekt, das in einer über 
        400-seitigen Partitur von Robert Grossmann niedergeschrieben wurde. Das 
        Opernwerk "Zauberberg" verdichtet Thomas Manns ironisch-weitschweifigen 
        Bildungsroman in zwei Akte mit je sechs Klangbild-Szenarien für 9 Sänger, 
        Chor, Ballett und grosses Orchester. Das Libretto dazu stammt vom 1935 
        in Leipzig geborene Rolf Gerlach. Bei aller Freiheit in der sprachlichen 
        und dramatischen Gestaltung ist der Autor jederzeit dem Geist und oft 
        gar dem Buchstaben der Vorlage treu geblieben. Auf der Bühne wird das 
        Berghof-Sanatorium Davos zur gleichnishaften Nische, die ihre kranken 
        Protagonisten in heikler Distanz "zu denen unten im Flachland" hält und 
        sie zwischen Lebenssehnsucht und Todesfaszination hin und her bewegt. 
        Nicht anders als wie im Roman (siehe Kasten) gerät ein einfacher, junger 
        Mensch, Hans Castorp, der eigentlich nur auf drei Wochen seinen tuberkulösen 
        Vetter Joachim Ziemssen im Hochgebirge besuchen will, für sieben Jahre 
        in den fatalen Bann einer Ausnahmesituation; als deren pädagogische Repräsentanten 
        der zynische Mediziner Hofrat Behrens, der italienische Humanist Settembrini, 
        der Jesuit-Fanatiker Naphta neben der kirgisischen Venus Madame Chauchat 
        und dem vollmundig-verzweifelten Vitalisten Mynheer Peeperkorn vor einer 
        ziemlich ordinären Personal-Staffage agieren. Die Auseinandersetzung mit 
        dem geistigen und gesellschaftlichen Formverfall als virulentestem Problem 
        des Romans, dominiert uneingeschränkt die Dramaturgie der Oper, die, quasi 
        wie ein impressionistisches Stenogramm, mit ihren sprachlichen Verkürzungen 
        und musikalischen Pointen dem Zerfliessen des morbiden Zeitgemäldes entgegenwirken 
        möchte. Die strenge Symmetrie beider Akte trägt dazu bei: Die Prosa-Jahre 
        des Romans werden in der Partitur in zwei Mal sechs Bilder kontrastreicher 
        (Fieber-)Kurven übersetzt, im ersten Akt in einer fastnächtlichen Walpurgisnacht 
        auf dem Zauberberg endend. Im nachfolgenden Akt kulminieren die Ereignisse 
        in einem Donnerschlag, als die Einberufung in den Krieg den Helden Hans 
        aus seiner Höhe zurück ins Leben abberuft. Auch die Musik wird dem Buch 
        gerecht Wie das Libretto ist auch die Musik der Oper durch intensive Beschäftigung 
        mit dem weltberühmten Roman entstanden, der ein geschichtliches und kulturelles 
        Dokument - auch von Davos - des beginnenden 20. Jahrhunderts darstellt. 
        "Die Musik enthält daher nostalgische Elemente, die als harmonisch und 
        kompositorisch konservativ bezeichnet werden können", so der Komponist 
        Grossmann. "Sie bringen einen Hauch des Zeitgeistes zurück und sollen 
        Zuhörer für Momente in die Atmosphäre der damaligen Zeit zurückversetzen." 
        Die verschiedenen Rollen haben je eine eigene Melodieführung und einen 
        Duktus, welcher unverwechselbar ist. Ebenso sind rhythmische Strukturen 
        und der Umgang mit musikalischer Intervallen für jede Rolle festgelegt. 
        Emotionen, Reaktionen, Gedanken und Gefühle werden durch die Musik unterstützt 
        oder angedeutet - manchmal offensichtlich bei musikalischer Wortmalerei, 
        aber auch durch Entgegensetzung, wenn z. B. die Musik Gedanken der Figur 
        widerspiegelt, die dem gesungenen Text widersprechen. Es treten unterschiedliche 
        musikalische Motive auf, wie zum Beispiel das Motiv "Krankheit", das als 
        eine Terz aufeinander in verschiedenen Oktaven erscheint. Motive wie auch 
        einzelne harmonische Wendungen sind in gewandelter Form während der ganzen 
        Oper immer wieder da und leiten den Erkennungsvorgang ein. Musikalische 
        Rhetorik basiert auf dem Prinzip des Erkennens in einem psychologischen 
        Umfeld von Erwartung und Überraschung. Wahrnehmen und Erkennen beim Musikhören 
        sind die ersten Schritte bei der Umsetzung musikalischer Abstraktionen 
        zu einem bestimmten konkret-sinnlichen Erleben. Robert Grossmann hat in 
        die Oper auch Zitate anderer Komponisten spielerisch eingeflochten. Es 
        sind musikalische Kommentare voller Ironie und teilweise mit musikhistorischem 
        Bezug auf die Zeit, als Thomas Mann den Roman schrieb. "Während den Proben", 
        so der Komponist, "sind ein paar dieser versteckten Zitate von Dirigent, 
        Regisseurin und Sängerlnnen entdeckt worden und andere werden wahrscheinlich 
        mein Geheimnis bleiben."
  Emotionale Konflikte rücken in den MittelpunktGespielt wird "Der Zauberberg" vom Bündner Kammerorchester unter der Leitung 
        des Dirigenten Adrian Stern, der die Musikakademie St. Gallen leitet und 
        u. a. erster Gastdirigent des Tschechischen Kammerorchesters Prag ist. 
        Für die Inszenierung konnte die seit 2001 am Basler Opernhaus wirkende 
        Regisseurin Helen Malkowsky verpflichtet werden. Für sie besteht das wichtigste 
        Grundmoment der Oper "Zauberberg" in der Reduktion sowohl der Handlung, 
        des Personals wie auch der Details. Entscheidend sei das Aufeinanderprallen 
        unterschiedlichster Lebensphilosophien und Lebenskonzepte in der hermetischen 
        Abgeschlossenheit eines Sanatoriums, das auch Hotel, Krankenhaus, Kaserne, 
        Kloster, Schule und Irrenanstalt sein könne, so die Regisseurin. "Mehr 
        als im Roman rücken die emotionalen, weniger die philosophischen Konflikte 
        der Hauptfigur Hans Castorp in den Mittelpunkt." Castorp und alle Personen, 
        auf die er trifft, können einander nicht ausweichen. Allgegenwärtig seien 
        sowohl die permanent ärztliche Kontrolle, wie auch vor allem die ständige 
        Beobachtung und Begutachtung der Menschen untereinander. "Nicht nur das 
        Krankheitsbild wird per Röntgenapparat durchleuchtet, sondern auch das 
        Innenleben eines jeden einzelnen durch die Reflexion der Mitpatienten." 
        So werde die Realität wie unter dem Mikroskop überdeutlich und übergross. 
        Diesen Gedanken greift das Bühnenbild von Michael S. Bachmann (Licht-Design 
        von Andreas Berger) mit seinen beweglichen, überdimensionalen Röntgenbilder 
        auf. Sie sind einerseits (über-)reales Abbild der Morbidität, geben andererseits 
        Assoziationen für phantastische Schneelandschaften. Gleichzeitig figuriert 
        dieser Apparat als eine Art Maschine, deren willkürlichen Gesetzen alle 
        unterliegen. Jede Figur ist abhängig, aber auch kleines Rädchen im Uhrwerk 
        der Zeit. Dem abstrakten, formalen Bühnenraum, der gleichzeitig Innen- 
        wie Aussen-, Seelen- wie Kunstraum sein kann, stehen an die Entstehungszeit 
        des Romans angelehnte Kostüme gegenüber. Manche ihrer Zeit bewusst voraus, 
        andere ihr hinterher. Alle aber in einheitlichen Weiss- und Beigetönen 
        - jeder könnte Patient, jeder Arzt sein.
 Aufführungen der Oper "Zauberberg"Welturaufführung am Donnerstag, 26. September, 20.00 Uhr im Stadttheater 
        Chur. Weitere Aufführungen: Samstag, 28. September, und Dienstag, 1. Oktober, 
        jeweils um 20.00 Uhr im Stadttheater Chur. Sonntag, 13. Oktober, um 17.00 
        Uhr im Kongresshaus Davos. Kartenreservierung ab 16. September bei Stadttheater 
        Chur, Grabenstrasse, 081 252 66 44, www.stadttheater-chur.ch Für Davos 
        ab 20. September bei Davos Tourismus, Tel. 081 415 21 21, www.davos.ch
 
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